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Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition)

Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Walser
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empört hie und da, daß ich beobachten kann, wie Sie sich an mich und was ich leiste gewöhnen wollen, als bildete ich für Sie eine Selbstverständlichkeit, eine Art Möbel, ein Maschinenbestandteil.
    Der Unterchef:  Beherrschen Sie sich!
    Der Arbeitsame:  Von Ihnen wäre es viel klüger, diplomatischer, gleichgewichtinbetrachtziehender, feinfühliger, wenn Sie mich anherrschten, statt mich in einem fort anzuwehklägeln, als wäre ich ein Tiger und Sie ein Opfer. Sie besitzen keinen Schneid.
    Der, der nicht regieren kann:  Ich werde zum Herrn Direktor hingehen, da mir das Talent versagt ist, Sie unmittelbar zur Respektbezeugung zu veranlassen.
    Der Chef (der die beiden belauscht hat): Wäre ich nichtMachthaber, so zöge ich den totalen Gehorsamszustand jedenfalls dem halben Befehlshabertum vor.
    Der junge Commis:  Jetzt ist es erst zehn Uhr, und ich muß mir gestehen, daß ich die Empfindung nicht loswerden kann, die Zeit streiche, laufe, gehe und rolle erstaunlich langsam vorüber. Hie und da treten Fabrikarbeiter in den sogenannten Streikzustand. Man sagt mir, sie täten das im Wunsch, bessere Löhnung zu erzielen. Wie mich jener bejahrte Angestellte dort, der in einiger Entfernung von mir Berechnungen anstellt, um seines patriarchalischen Aussehens willen eigentlich ein bißchen rührt. Mir scheint, etwas Friedliches strahle von ihm aus. Wie intelligent er mir vorkommt. Erzählte er mir nicht eines Tages im Ton beinahe der Befreundung, als wisse er, daß er's einer Art von Kameraden anvertraue, er habe die Julirevolution miterlebt. Wie ausdauerlich, beinah hartnäckig sich der Stundenzeiger an der Uhr verhält. Man vermag durchaus nicht wahrzunehmen, ob er irgendeine Bewegung ausführt oder nicht. Ich höre die Vögelchen von den Bäumen her zwitschern, die mit hellgrünem Laub festlich die Hauptstraße schmücken. Jetzt fährt ein Tramwagen mit Gescharr vorbei, und auch der Minutenzeiger benimmt sich meiner Ansicht nach merkwürdig ruhig. Mir ist, als wisse er sich sehr zu beherrschen, als freue er sich über sein Eilen mit fortwährendem Verweilen, als sei er auf seine Besonnenheit quasi stolz und glänze mit seiner Taktfestigkeit. Beinahe möchte ich mir einbilden, er habe ein Gesicht, das mich belustigt anlächle. Vielleicht ist es für mich ein Unglück, daß die Wand dieses Büroraumes mit einer Uhr versehen ist, und es kann sein, daß ich besser täte, die Uhr und ihre seltsame Wesenheit überhaupt keiner Beachtung für würdigzu halten. Ihr Anblick macht mich gewissermaßen krank. Wenn es wahr ist, daß ich eine Geliebte habe, die sich vielleicht in ihrem mir zum Teil noch unbekannten Innern über mich lustig macht, was mich vielleicht nur um so mehr reizt, sie liebenswürdig zu finden, so trifft es anderseits nicht in jeder Hinsicht zu, daß mir (m)eine mütterliche Freundin ihr kostbares Interesse schenkt, das mir noch nie eingefallen ist, nicht hochzuschätzen.
    Der Chef:  Was tun Sie da, wenn man fragen darf?
    Der junge Commis:  Beobachtungen verschiedenster Art bemächtigten sich meiner, die ich bemüht bin abzuschütteln.
    Der Chef:  Kamen Sie nicht heute früh zehn Minuten zu spät am Wirkungsplatz an?
    Der junge Commis:  Ihre Frage verdient mit einem unüberlegten, flotten, strammen und offenkundigen ›Ja‹ beantwortet zu werden.
    Der Chef:  Verspätungen treffen häufig bei Ihnen ein.
    Der junge Commis:  Meine Versäumnisse haben insofern etwas Treuherziges, als der Mut in mir lebt, man nehme mir sie nicht allzu übel. Eine Schauspielerin liebt mich.
    Der Chef:  Ich hoffe, sie tut es vergeblich. Wie weit sind Sie schon im Auslandzusammenstellen vorgerückt?
    Der junge Commis:  Sorgfalt und Bedächtigkeit hinderten mich am schnellen Vorwärtsschreiten.
    Der Chef:  Darf ich Sie angesichts eines solchen Bekenntnisses zu etwas mehr Emsigkeit aufmuntern?
    Der junge Commis:  Theoretisch halte ich Schaffensfreudigkeit für herrlich. Schon der Umstand, daß bei angestrengtem Tätigsein die Zeit so schnell vergeht.
    Der Chef:  Ihre Ironie schätze ich sehr. Bald werde ich Sie von neuem aufsuchen.
     
    Alle gehen an die Fenster. Ein Trauermarsch wird vernehmbar.
     
    Der Chef:  Gegen die Bekundung einer schicklichen Neugierde, die zur Quelle einer geziemenden Teilnahme werden kann, habe ich nichts einzuwenden. Daß sich meine Untergebenen als Angehörige des Volkstums fühlen, daß sie den Beerdigungszug eines verstorbenen Führers des Landes anzuschauen bestrebt sind,

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