Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition)
erfüllt mich mit Zufriedenheit. Wie wohltuend diese Musik klingt. Auch einen Bürochef berührt Menschliches, auch ihn gehen Geburten, Verlobungen und Todesfälle etwas an. Mir leuchtet ein, daß sich dem Prinzip, während der Arbeitszeit müsse ununterbrochen irgend etwas getan werden und die vorhandenen Kräfte fielen lebhafter Ausnutzung anheim, Ausnahmen entgegensetzen dürfen, wie die gegenwärtige beispielsweise eine zu sein scheint. Wenn ein Verdienstreicher, Bedeutender von dannen getragen wird, wie es mit demjenigen der Fall ist, dem heute die letzte Ehre erwiesen wird, so kommt mir der Gedanke nicht als Unmöglichkeit vor, daß eine Pause erlaubt und das Eintretenlassen einer vorübergehenden Lockerung der straffangezogenen Saiten am Platz seien.
Die Schaulustigen begeben sich nach und nach wieder an ihre Plätze. Die Rechnungsmaschine rattert von neuem.
Laiblin: Nach dem Mittagessen werde ich rasch auf den Berg gehen, da kann ich eine halbe Stunde lang im Grünen liegen, in der Sonne die Augen zudrücken, das Gesumme hören, mich verhalten, als schliefe ich, die Zweige einesApfelbaumes über meinem Gesicht sich leise hin und her rühren spüren und an die Hotelgouvernante denken, für die ich schwärme, weil sie mir sagte, sie habe dann und wann Kopfweh. Wie den Mädchen eine Klage gut ansteht. Mitleidhaben, falls es einem nicht lästig wird, falls man's nicht zu stark tun muß, es einem nicht weh tut, ist ein großes Vergnügen, da man dabei glauben kann, man sei gutmütig, besitze ein Herz, sei kein Stück Holz oder Stockfisch. Liebende lieben ihre Liebe wie Hassende ihren Haß hassen.
Der Chef (für sich): Ich scheine dadurch regimentsfähig zu sein, daß mich das Beobachtethaben eines gewissen bescheidenen Maßes von Es-sich-wohl-sein-Lassen, das von mir aus auf die Angestellten übergeht, in keiner Hinsicht beunruhigt. (zum jungen Commis:) Glauben Sie heute Vormittag allerhand Nützliches zustande gebracht zu haben?
Der junge Commis: Während des Verlaufes meines heute stattgefundenen oder vorgefallenen Hierseins wurde durch die unwichtige Persönlichkeit, mit der es Ihnen hie und da beliebt, Konversation zu machen, ein- oder zweimal das Linierinstrument, genannt Lineal, aus anscheinender Zerstreutheit, tatsächlich jedoch aus keinem sonstigen Grund zu Boden fallen gelassen, als inmitten des zweifellos speziell für mich etwas eintönigen Berufes, zu dessen Pflichterfüllungen ich mich schwerlich mit einer in keiner Hinsicht abzustreitenden Lückenlosigkeit berufen zu fühlen vermag, mir, wenn auch eine geringe, so doch bis in ein gewisses Maß hinein die Waagschale des Empfindens beeinflussende Abwechslung zu verschaffen.
Der Chef: Inwiefern Sie gern Wanduhren usw. mit Vorliebenachdenklich betrachten, gehören Sie mit ziemlicher Sicherheit zu den interessanteren Erscheinungen der Komptabilität, deren Wesen nun einmal nicht mit eines Tanzsaales oder mit eines Turnplatzes Eigenheit korrespondiert oder übereinstimmt, was man ja, von einigen Gesichtspunkten aus gesehen, wird bedauern dürfen.
Der junge Commis: Ich habe bei der Kellnerin des »Ochsen« einen Stein im Brett.
Der Chef: Mir wäre es lieber, Sie dächten mehr an zielbewußte Arbeitsamkeit als an Kellnerinnen, wenn dieselben auch an Hübschigkeit und appetitlichem Aussehen mit der Begehrenswürdigkeit selbst zu wetteifern vermöchten. Ich besitze allen Ihren Zaghaftigkeiten in Bezug auf munteres Drauflosschaffen gegenüber jedenfalls, wie ich zu fühlen oder wahrzunehmen imstande bin, eine wirklich bedeutende Geduld im Leibe.
Der junge Commis: Mir liegt völlig fern, Ihre durchaus anerkennenswerte Güte zu unterschätzen, vielmehr mache ich von derselben gewiß mit Vergnügen ausgiebigen Gebrauch.
Der Chef: Jetzt ist's halb zwölf. Sie rieben sich, gemäß meiner Beobachtungsfreudigkeit, die mich keinen Augenblick im Stich läßt, ein paarmal, während Sie sich eher mit etwas Angebrachterem hätten beschäftigen sollen, das Kinn.
Der junge Commis: Ich verstehe sehr gut, daß Sie sich mit derartigen Beobachtungen nicht mit der erforderlichen Selbstverständlichkeit befreunden können, möchte mir aber erlauben, der Meinung zu sein, daß auch Sie einmal jung waren, und habe im übrigen die Ehre, Sie mit dem Sie vielleicht interessierenden Umstand bekannt zu machen, daß mich meine Eltern sehr verwöhnten. Mein Vater war Musikdirektor, für den die Provinzstadt, worin er wirkte, schwärmte.
Der
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