Im Bus ganz hinten
QB-Gang und kifften. Überall standen die Bongs rum, einige waren auch umgekippt, und das alte, gammlige Shit-Wasser sickerte in den Teppich. Ich habe nie Gras geraucht, weil ich den Kopf lieber frei haben wollte. Ich hatte weder Bock auf Alkohol noch auf andere Drogen, sondern wollte mich voll und ganz aufs Sprühen konzentrieren.
Die S-Bahn-Strecke S1 zwischen Wannsee und Zehlendorf war mein Stammgebiet. Dort kannte ich mich mittlerweile bestens aus. Ich taggte viel, und mein Name wurde immer bekannter. Nur die Betreuer im Heim machten richtig Ärger: »Patrick, wieso bist du nachts nie da?«, stellten sie mich eines Tages zur Rede. Stöhnend sank ich auf mein Bett und maulte genervt zurück: »Das ist doch meine Sache. Haltet euch da raus.« »Nein, das tun wir nicht. Wir sind hier für dich verantwortlich!«, hieß es dann.
»Niemand ist für mich verantwortlich. Nur ich selbst.
Und jetzt auf Wiedersehen!« Aber die Heimleute ließen nicht locker: »Du bist ab sofort um Mitternacht im Bett. Verstanden?« – »Nein!« Ich warf die Betreuer aus meinem Zimmer und knallte die Tür hinter ihnen zu. Ihre Ansagen gingen mir am Arsch vorbei. Ich wurde allmählich von der Berliner Sprüherszene ernst genommen, und das war das Einzige, was zählte. Ich feierte mich selbst!
Zusammen mit Zwek startete ich immer krassere Aktionen: Mittlerweile besprühten wir nicht mehr nur einzelne Waggons, sondern ganze Züge. Wir lebten in ständiger Angst vor der Polizei und mussten uns auf die wildesten Situationen vorbereiten. Für den Fall, dass wir einmal schnell flüchten mussten, versteckte ich meine Dosen immer in einem Öko-Leinenbeutel. Wenn die Bullen kamen, konnte ich den am leichtesten wegwerfen. Die illegale Seite des Sprühens war natürlich nicht von der Hand zu weisen, aber für mich war die Angst vor der Polizei eher ein Kick als ein Grund zum Aufhören. Diese reale Angst war mir wesentlich lieber als meine grundlose Paranoia nachts im Bett. Nichts hätte noch schlimmer sein können als das. Das Sprühen war für mich der perfekte Ausweg: Es ließ mich meine Panikattacken vergessen.
In der Schule war man nicht so begeistert von meinen angehäuften Fehlstunden.
»Patrick Losensky, bitte zum Direktor«, tönte es eines Morgens aus den Lautsprechern der Beuckeschule. Ich saß gerade völlig verpennt in der Deutschstunde. Mein Kopf lag auf der Tischplatte, ich schreckte hoch und wankte ins Lehrerzimmer, wo der Schulleiter schon auf mich wartete.
»Wir müssen uns unterhalten«, sagte er herablassend. Dann erklärte er mir, dass es so nicht weitergehen könne.
»Du musst dich zusammenreißen«, befahl er. Darauf hatte ich natürlich gar keinen Bock.
»Nö. Fickt euch. Ich komme nicht wieder«, konterte ich und ging. Das Thema Schule war damit für mich erledigt.
Endlich war ich frei!
Leider hielt meine neu gewonnene Freiheit jedoch nicht lange an: Als die Heimleitung Wind von meinem Abschied bekam, rastete sie aus und steckte mich kurzerhand auf meine mittlerweile siebte Schule. Und die war nur für die schlimmsten Härtefälle: die Sonderschule in Berlin- Tegel.
»Ich geh da nicht hin«, schrie ich meine Betreuer an. Aber es half nichts. Am nächsten Morgen wurde ich vom Heimzivi persönlich geweckt.
»Raus aus dem Bett!«, rief er, kurz nachdem er meine Zimmertür unsanft aufgerissen hatte. Er war extra damit beauftragt worden, mich jeden Morgen zum Unterricht zu fahren – die Heimleitung wollte unbedingt sichergehen, dass ich auch wirklich dort ankam.
»Ich hab keinen Bock, lass mich in Ruhe«, motzte ich den Zivi an und zog mir die Decke über den Kopf.
»Los jetzt!« Er ließ nicht locker und schubste mich aus dem Bett: »Du stehst jetzt auf. Ich fahr dich zur Schule.« »Nein, Mann. Verpiss dich. Ich geh da nicht hin.« Aber er packte mich einfach, zog mir einen Pullover über und schob mich ins Bad.
»Zehn Minuten!« Ich gab mich geschlagen, putzte mir die Zähne und machte mich fertig.
Mit einem klapprigen VW-Bus brachte mich der Zivi schließlich in die Horrorschule. Die Fahrt dauerte eineinhalb Stunden. In der Klasse saßen nur fünf Leute, aber was für welche: Ich blickte in die Gesichter von absolut erstklassigen Vollidioten. Das ging gar nicht! »So schlimm kann es nun wirklich nicht um mich stehen, dass ich das hier ertragen muss«, murmelte ich in mich hinein, als mich der Lehrer diesen Vollhonks vorstellte. Schon nach zwei Unterrichtsstunden flüchtete ich mit der S2 und fuhr durch Berlin.
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