Im Café der moeglichen Traeume
Jahrhunderts während einer öffentlichen Veranstaltung in Hartford, Connecticut. Stickstoffoxyd ist ein Gas, das Einfluss auf die Stimmungen eines Menschen nehmen kann. Freiwillige atmeten es in öffentlichen Lokalen ein und benahmen sich plötzlich äuÃerst sonderbar. Do-you-know-what- I-mean ?«
Ich musste mir jede Frage zweimal wiederholen lassen und verlor ständig den Faden. Seine bloÃe Gegenwart reichte mir aber schon, um mich wohlzufühlen.
»Der Zahnarzt Horace Wells überredete seinen Freund Samuel Cooley, auf die Bühne zu klettern und sich den Wirkungen dieses Gases auszusetzen.«
Ich hatte Mühe, ihm zu folgen. In meiner Unsicherheit vermochte ich den Kern des Gesprächs kaum zu erfassen, aber zu seinem wiederholten » Do-you-know-what-I-mean« nickte ich fleiÃig und verzichtete auf allzu viele Nachfragen.
» And ⦠so � «
»Tja ⦠und dann geschah das Unerwartete. Das Gas entfesselte die gewaltsame Seele des armen Cooley, und das Spektakel endete in einer Schlägerei. Cooleys Bein fing an, ganz fürchterlich zu bluten.«
»Und man lässt dich tatsächlich eine Abschlussarbeit über so etwas schreiben?«
»Cooley merkte gar nicht, dass er verwundet war. Er spürte keinen Schmerz.«
» And� «
»Und plötzlich hatte Wells den Geistesblitz, der die Geschichte der Medizin revolutionieren würde.«
»Aaah!«
»Ihm wurde klar, dass es am Gas liegen musste, wenn die Schmerzempfindlichkeit seines Freundes beeinträchtigt war. Zu Hause startete er dann einen Selbstversuch.«
»Er hat sich geschnitten?«
»Er spritzte sich das Gas ins Gesicht und lieà sich dann von einem Kollegen einen Zahn ausgraben. Er spürte keinen Schmerz, er spürte überhaupt nichts, doâyou-know-what-I-mean ? So wurde die Narkose geboren, ein Paradebeispiel für Serendipity .«
Serendiwas?
Um mich auf der Höhe des Gesprächs zu zeigen, quatschte ich lauter Unsinn daher: »Oh, die Geschichte ist voller Entdeckungen und Enthüllungen, das Problem besteht nur darin, sich zurechtzufinden â¦Â« Das Eis war gebrochen. Nachdem wir in den Lesesaal zurückgekehrt waren, lasen wir weiter, aber ich war mir sicher, dass ich die nächsten Abende in irgendwelchen Pubs zubringen würde, um Bier zu trinken und eklatante Fälle von Serendipität zu diskutieren. Am nächsten und am übernächsten Tag saà ich an unserem Tisch und wartete auf James. Ich achtete auf die Leute, die in die Bibliothek kamen und wieder gingen und suchte ihn auch in der Cafeteria, in der Ausleihe und im Garten, aber er war wie vom Erdboden verschluckt. Noch heute bewahre ich das Polaroidfoto von seinem leeren Stuhl auf. Ich hatte es in der festen Ãberzeugung gemacht, mir die Begegnung nur eingebildet zu haben, eine Projektion meiner Unfähigkeit, mit dem anderen Geschlecht in Kontakt zu treten.
Damals habe ich mich mit der Tatsache abgefunden, dass Menschen einfach verschwinden.
Die Ãberzeugung, dass alle Menschen früher oder später verschwinden, haftet mir an wie der Cinderella-Komplex, der einen befällt, wenn man zu einer Feier geht und sich nicht amüsieren kann, weil man schon vorher weiÃ, dass sich um Mitternacht Kutsche, Prinz, schöne Kleider und all das Brimborium des Glücks auflösen und man alleine nach Hause zurückkehren wird.
Ich würde nicht ausschlieÃen, dass sich auch Manuel, der einfühlsamste Kellner der Stadt, im nächsten Augenblick auflösen und mich auf dieser Empore meinem Elend überlassen könnte. Das geschieht so häufig, dass ich jedes Mal, wenn ich mich für irgendetwas zu erwärmen beginne, instinktiv auf die Uhr schaue. Ein paar Minuten noch, dann ist es vorbei.
Es ist 12:35 Uhr, der Himmel ist milchig, und ich habe einen neuen Nachbarn, einen Typen, der um die zwanzig sein dürfte und sich an Hemingways Tisch gesetzt hat. Er starrt auf seinen PC, den Kopf über die Tastatur gebeugt und die Ohren unter einem gewaltigen Kopfhörer verborgen, und kapselt sich in seiner Welt ein.
Du bist nicht der Typ, der seine Zeit mit Quatschen vergeudet, was?
Vielleicht ist er ebenfalls eine Projektion, und auf der Empore ist überhaupt niemand und ⦠bald werde ich mit der Wand reden. Das passiert, wenn man zu lange alleine ist. Dabei müsste ich nur die Tasten meines Handys berühren, Sarah anrufen oder einfach
Weitere Kostenlose Bücher