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Im Café der moeglichen Traeume

Im Café der moeglichen Traeume

Titel: Im Café der moeglichen Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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die Tasche.
    Den König. Der die Partie beendete.
    Er drückte seine Lippen auf den Verband und war sich sicher, dass Andrea diesen Kuss wie ein Amulett mit sich herumtragen würde.
    Nachdem er ihm erlaubt hatte, alles anzuschauen, was er anschauen wollte, und alles zu machen, was er machen wollte, setzte ihn sein Vater wieder ab.
    Â»Jetzt müssen wir aber gehen«, sagte er, und Diego schien es, als würde er mit dem Rücken weinen. Er ging gebückt wie ein Mann, der nicht weiß, auf wen er seine Einsamkeit abladen soll.
    Zwei Tage später wurde Andrea beerdigt, und während die schwarz gekleideten Herren den Sarg an dicken Seilen in die Grube hinabließen, behielt Diego sie fest im Blick. Ihre Bewegungen waren sicher und flink, als wäre es das normalste auf der Welt, Tote unter die Erde zu bringen.
    Er stand abseits und schaute aus der Ferne zu, da sich ohnehin niemand um ihn kümmerte. Es schneite stark.
    Die Mama sah wunderschön aus in ihrem schwarzen Mantel. Ganz viele Kinder waren da, alle wegen Andrea, und das machte ihn richtig stolz.
    Tja, mein Bruder.
    Ich muss mich übergeben, dachte er. Da er nicht wusste, was er tun sollte, wühlte er in seiner Tasche und holte den Astronauten heraus. Krampfhaft suchte er nach etwas, mit dem er sich beschäftigen konnte, und versuchte sogar, einen Schwur zu leisten, irgendetwas, das an ein feierliches Versprechen erinnerte, wenn ihm nur der Astronaut dabei helfen würde, sich nicht zu übergeben.
    Er spürte den säuerlichen Geschmack im Mund, konnte ihn aber hinunterschlucken. »Danke, Astronaut«, sagte er so leise, dass niemand denken musste, das Kind sei verrückt geworden. Er versprach Andrea, auf das Cello aufzupassen, immer nett zu Mama und Papa zu sein und ihn ewig zu lieben.
    Aber es war nicht mehr wie früher.

12:57 Uhr
    Im flackernden Neonlicht sammeln sich unbeantwortete Anrufe auf dem Display, und jetzt vibriert bereits die vierte SMS. Sollten Handys Gefühle artikulieren können, ist meines entflammt.
    Wo steckst du denn? S.
12:58
    Um mir vorzustellen, wie Sarah ungeduldig auf den Tasten herumtippt, muss ich nicht die Augen schließen. Mittlerweile wird sie nicht mehr nur neugierig, sondern regelrecht wütend sein, und der Zeiger ihres inneren Kompasses wird signalisieren, dass irgendetwas Ungewöhnliches passiert sein muss. Obwohl sie meine Gespräche mit meiner Großmutter als kindliche Wunschvorstellung von einem unsichtbaren Freund abtut, hat sie selbst paranormale Fähigkeiten. Als wir in der Mittelstufe waren, kam sie mal vor der Schule angehetzt, weil sie geträumt hatte, in unserer Wohnung brenne es. In der Tat hatte meine Mutter das Milchtöpfchen ruiniert, weil sie es zu lange auf dem Herd hatte stehen lassen, aber musste man deswegen einen solchen Aufstand machen?
    Ich bin eine undankbare arbeitslose Egozentrikerin, die wegen ihres erbärmlichen Lebenslaufs ihre beste Freundin vernachlässigt. Würde ich ihr von der Sache erzählen, hätte sie gleich einen Kommentar parat, dass nämlich der Geschäftsführer von Breston & Partners bestimmt eine Nichte habe, die mit ihrem frisch erworbenen Diplom in Kommunikationswissenschaften natürlich mit einer Stelle – meiner nämlich – versorgt werden müsse. Oder sie würde mich mit vernünftigen Ratschlägen überschütten, nach dem Motto: »Nimm es zur Kenntnis, ruh dich über die Feiertage aus, und stürz dich dann wieder auf den Arbeitsmarkt.« Als gute Werbefrau redet Sarah manchmal in Slogans. Außerdem ist sie klug und rational, während ich am Rande des Abgrunds stehe.
    Plötzlich passieren lauter Dinge, die ich nie jemandem erzählen werde, weil es hier nicht nur um meine berufliche Zukunft geht, sondern vielmehr um meinen »Platz in der Welt«, von dem ich nicht mehr weiß, wo er ist, und auch nicht, wo ich überhaupt mit der Suche beginnen sollte. Melodramatisch wie immer, würde Sarah sagen. Ich könnte Manuel um Rat fragen, aber der ist damit beschäftigt, die altrosa Tischdecken mit Papiersets und Plastikbesteck auszustatten. Auch meinen Tisch deckt er ein.
    Â»Danke, danke … kann nicht schaden, falls ich etwas essen will«, sagte ich, dunkelviolett vor Scham.
    Ich habe gar keinen Hunger, aber muss ich vielleicht etwas essen, um mir ein Bleiberecht zu sichern? Verlegen schiebe ich meinen Karton beiseite, der mittlerweile so trocken ist wie

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