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Im Café der verlorenen Jugend - Modiano, P: Im Café der verlorenen Jugend

Im Café der verlorenen Jugend - Modiano, P: Im Café der verlorenen Jugend

Titel: Im Café der verlorenen Jugend - Modiano, P: Im Café der verlorenen Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Modiano
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Roland, was ist aus Ihnen geworden?«
    Er hatte noch immer dieselbe helle Stimme, die uns auch die hermetischsten Texte zugänglich machte, wenn er sie vorlas. Ich war gerührt, dass er sich noch an mich und meinen Vornamen aus jener Zeit erinnerte. So viele Leute waren bei den Treffen am Square Lowendal … Manche kamen nur einmal, aus Neugier, andere sehr regelmäßig. Louki zählte zu den letzteren. Und ich ebenfalls. Dennoch war Guy de Vere nicht auf der Suche nach Schülern. Er hielt sich keineswegs für einen Vordenker, und er weigerte sich, irgendeinen Einfluss auf die anderen auszuüben. Sie waren es, die auf ihn zugingen, ohne dass er sie dazu ermunterte. Manchmal ahnte man, er wäre lieber allein geblieben, um vor sich hin zu träumen, doch er konnte ihnen nichts verweigern, vor allem nicht seine Hilfe, damit sie lernten, klarer zu sehen in sich selbst.
    »Und Sie, sind Sie wieder in Paris?«
    De Vere hat gelächelt und mich mit spöttischem Blick gemustert.
    »Sie sind immer noch der gleiche, Roland … Sie antworten auf eine Frage mit einer Gegenfrage …«
    Auch das hatte er nicht vergessen. Er zog mich oft damit auf. Er sagte, als Boxer wäre ich ein Meister im Fintieren.
    »… Ich wohne schon lange nicht mehr in Paris, Roland … Ich lebe jetzt in Mexiko … Ich muss Ihnen meine Adresse geben …«
    Damals, als ich nachschauen gegangen war, ob übers Erdgeschoss seines früheren Hauses wirklich Efeu wuchs, hatte ich die Concierge nach Guy de Veres neuer Adresse gefragt. Sie hatte bloß geantwortet: »Verzogen, ohne eine Adresse zu hinterlassen.« Ich habe ihm von dieser Wallfahrt an den Square Lowendal erzählt.
    »Sie sind unverbesserlich, Roland, mit Ihrer Efeu-Geschichte … Als ich Sie kennenlernte, waren Sie noch sehr jung, oder? Wie alt waren Sie?«
    »Zwanzig.«
    »Hm, mir scheint, Sie waren damals schon auf der Suche nach dem verlorenen Efeu. Irre ich mich?«
    Sein Blick ruhte auf mir, doch verdüstert durch einen Schatten von Traurigkeit. Vielleicht dachten wir an das gleiche, aber ich wagte es nicht, Loukis Namen auszusprechen.
    »Komisch«, sagte ich. »In der Zeit unserer Treffen ging ich oft in dieses Café, das kein Café mehr ist.«
    Und ich zeigte auf das Lederwarengeschäft Au Prince de Condé, nur wenige Meter von uns entfernt.
    »Ja«, sagte er. »Paris hat sich sehr verändert in den letzten Jahren.«
    Er betrachtete mich mit hochgezogenen Brauen, als wollte er eine ferne Erinnerung wachrufen.
    »Arbeiten Sie immer noch über die neutralen Zonen?«
    Die Frage war so unvermittelt gekommen, dass ich nicht gleich verstanden habe, worauf er anspielte.
    »Er war ziemlich interessant, Ihr Text über die neutralen Zonen …«
    Mein Gott, was für ein Gedächtnis … Ich hatte ganz vergessen, dass ich ihm diesen Text zu lesen gegeben hatte. Eines Abends, nach einem unserer Treffen bei ihm, waren wir, Louki und ich, als letzte geblieben. Ich hatte ihn gefragt, ob er nicht ein Buch über die Ewige Wiederkehr habe. Wir waren in seinem Büro, und er blickte suchend über einige Regalbretter seiner Bibliothek. Schließlich hatte er ein Werk mit schwarzweißem Einband gefunden: Nietzsches Philosophie der Ewigen Wiederkehr des Gleichen , das er mir gab und das ich an den folgenden Tagen mit großer Aufmerksamkeit gelesen hatte. In meiner Jackentasche die paar getippten Seiten über die neutralen Zonen. Ich wollte sie ihm geben, um seine Meinung zu hören, aber ich zögerte. Erst kurz vor dem Gehen, schon auf dem Treppenabsatz, habe ich mich entschlossen und ihm mit brüsker Bewegung den Umschlag hingehalten, in dem ich die paar Seiten verwahrte – ohne ein Wort der Erklärung.
    »Sie interessierten sich auch sehr für Astronomie«, sagte er noch. »Besonders für die dunkle Materie …«
    Nie hätte ich mir vorstellen können, dass er sich daran erinnerte. Im Grunde war er den anderen gegenüber immer sehr aufmerksam gewesen, aber damals hatte man es nicht gemerkt.
    »Schade«, habe ich gesagt, »dass heute abend am Square Lowendal kein Treffen stattfindet, so wie früher …«
    Meine Worte schienen ihn zu überraschen. Er lächelte.
    »Immer Ihre Obsession mit der Ewigen Wiederkehr …«
    Wir gingen jetzt auf dem Trottoir hin und her, und jedesmal führten unsere Schritte uns wieder vor das Lederwarengeschäft Au Prince de Condé.
    »Erinnern Sie sich an den Abend, als es einen Stromausfall bei Ihnen gab und Sie im Dunkeln zu uns sprachen?« fragte ich ihn.
    »Nein.«
    »Ich muss Ihnen etwas

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