Im Dienst des Seelenfängers
der Leutnant. Sie setzten sich in Bewegung und folgten dem Waldesrand den Hügel hinunter.
»Verdammt, das tut gut, wieder so etwas zu machen«, sagte ich. Der Leutnant grinste. Seit wir Beryll verlassen hatten, lächelte er nur selten. Weiter unten schlüpften die fünf falschen Frauen durch die Schatten zur Quelle neben der zur Stadt führenden Straße. Einige Frauen aus der Stadt waren auf dem Weg, um Wasser zu holen.
Wir rechneten nicht damit, daß es Schwierigkeiten geben würde, die Torwächter zu errei- chen. Die Stadt war mit! Fremden, Flüchtlingen und Troßvolk der Rebellen angefült. Die Garnison war klein und verschlafen. Die Rebellen hatten keinen Grund zu der Annahme, daß die Lady so weit entfernt von Charm zuschlagen würde. Im großen Ringen besaß die Stadt keinerlei Bedeutung.
Mit der einen Ausnahme, daß zwei der Achtzehn, die mit den Rebellenstrategien vertraut waren, hier ihr Quartier aufgeschlagen hatten. Wir hatten drei Tage lang in den Wäldern ge- lauert und beobachtet. Feder und Journey, die vor kurzem in den Kreis erhoben worden wa- ren, verbrachten ihre Flitterwochen hier, bevor sie nach Süden ziehen und sich dem Angriff auf Charm anschließen würden.
Drei Tage. Drei Tage lang kein Feuer in den kalten Nächten und Trockenfutter zu jeder Mahlzeit. Drei Tage Elend. Und unsere Laune war so gut wie schon seit Jahren nicht mehr. »Ich glaube, wir schaffen es«, meinte ich. Der Leutnant winkte. Einige Männer schlichen den Verkleideten hinterher. Einauge bemerkte: »Wer auch immer sich das ausgedacht hat, wußte, was er tat.« Er war aufgeregt.
Das waren wir alle. Es war eine Gelegenheit, das zu tun, was wir am besten konnten. Fünf- zig Tage lang hatten wir schiere körperliche Arbeit geleistet, um Charm auf den Ansturm der Rebellen vorzubereiten, und fünfzig Nächte lang hatten wir uns wegen der bevorstehenden
Schlacht die Köpfe zerbrochen.
Weitere fünf Männer schlichen nach unten. »‘ne ganze Frauenschar kommt jetzt raus«, sagte Einauge. Die Spannung stieg. Nacheinander kamen die Frauen zur Quelle. Das würde den ganzen Tag lang so weiterge- hen, denn innerhalb der Mauern gab es keine Wasserversorgung. Mein Herz rutschte mir in die Hose. Unsere Infiltratoren hatten sich auf den Weg hinauf zur Stadt gemacht. »Macht euch bereit«, sagte der Leutnant. »Lockert euch auf«, schlug ich vor. Ertüchtigung hilft beim Abbau nervöser Spannungen. Ganz gleich, wie lange du schon Soldat bist, kurz vor dem Kampf schwillt die Angst in dir an. Immer ist die Furcht da, daß die Chancen nun doch ausgereizt sind. Einauge zieht jedes Mal mit der Überzeugung in den Kampf, daß die Schicksalsmächte seinen Namen von der Liste gestrichen haben.
Die Infiltratoren tauschten Falsettgrüße mit den Stadtfrauen aus. Unenttarnt erreichten sie das Tor. Es wurde von einem einzelnen Milizionär bewacht, einem Schuster, der gerade Nä- gel in eine Stiefelhacke schlug. Seine Hellebarde lehnte zehn Fuß von ihm an der Mauer. Goblin kam rückwärts wieder herausgetänzelt. Er schlug die Hände über dem Kopf zusam- men. Ein lauter Knall ließ die Landschaft erzittern. Seine Arme senkten sich mit nach oben gereckten Handflächen auf Schulterhöhe. Ein Regenbogen spannte sich zwischen seinen Hän- den.
»Immer muß er den Schmierenkomödianten markieren«, murrte Einauge. Goblin sprang her- um.
Der Trupp rannte los. An der Quelle schrien die Frauen auf und zerstreuten sich. Wie Wölfe in einer Schafsherde, dachte ich. Wir rannten schnell. Mein Sack drosch mir auf die Nieren. Nach zweihundert Metern stolperte ich über meinen Bogen. Jüngere Männer überholten mich. Ich erreichte das Tor in einem Zustand, der es mir unmöglich machte, auch nur ein Groß- mütterchen zu versohlen. Zu meinem Glück hatten die Großmamas gerade etwas anderes zu tun. Die Männer fegten durch die Stadt. Widerstand gab es nicht. Wir, die wir uns Feder und Journey vornehmen sollten, hasteten zur kleinen Zitadelle. Sie war auch nicht besser verteidigt. Der Leutnant und ich folgten Einauge, Schweiger und Go- blin hinein.
Bis zum obersten Stockwerk stellte sich uns niemand entgegen. Und dort waren die Frisch- vermählten immer noch in seligem Schlummer verstrickt. Einauge wischte ihre Wächter mit einer erschreckenden Illusion beiseite. Goblin und Schweiger brachen die Tür zum Liebesnest in Splittern auf.
Wir stürmten hinein. Selbst schläfrig, verdutzt und verängstigt waren sie immer noch kratz- bürstig. Einige von uns bekamen ganz
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