Im Dienst des Seelenfängers
ertönte, dann herrschte unheimliches anhaltendes Schweigen. Nach all dem Gebrüll
und Geschepper vermittelte diese Stille eine tödliche Bedrohung. Wandler und Sturmbringer ragten über dem Gehenkten auf und starrten mich an. Ich wollte schreien, laufen, mich in den Boden verkriechen und dort verbergen. Ich war ein Zauberer, der ihre Gedanken lesen konnte. Ich wußte zuviel. Die Angst ließ mich erstarren.
Die Kohlenstaubwolke verschwand so rasch, wie sie erschienen war. Seelenfänger stand zwischen den Soldaten. Mit der Erhabenheit alter Tannenbäume stürzten beide langsam zu Boden.
Ich drückte Ravens Arm. Er stöhnte. Seine Augenlider flatterten, und ich erhaschte einen Blick auf eine Pupille. Erweitert. Gehirnerschütterung. Verdammt!… Fänger sah seine Mitschurken an. Dann drehte er sich langsam zu mir. Die drei Unterworfenen kamen langsam näher. Im Hintergrund machte der Gehenkte weiter mit seinem Sterben. Dabei machte er einen ziemlichen Krach. Allerdings hörte ich ihn nicht. Ich erhob mich mit wackeligen Knien und sah meinem Untergang entgegen. Es sollte nicht so enden, dachte ich. Das ist nicht richtig… Alle drei standen da und starrten mich an. Ich starrte zurück. Etwas anderes konnte ich auch nicht tun.
Tapferer Croaker. Hat wenigstens genug Mut, dem Tod ins Auge zu starren.
»Du hast nicht das geringste gesehen, oder?« fragte Fänger leise. Eiskalte Eidechsen flitzten mir über das Rückgrat hinab. Die Stimme gehörte einem der toten Soldaten, die auf Harden eingedroschen hatten.
Ich schüttelte den Kopf.
»Du warst zu beschäftigt mit dem Kampf gegen Harden, dann hast du dich um Raven ge- kümmert.«
Ich nickte schwach. Meine Kniegelenke bestanden aus Pudding. Sonst wäre ich Hals über Kopf davongestürmt. So dumm das auch gewesen wäre. Fänger sagte: »Schaff Raven auf Bringers Teppich.« Er deutete darauf.
Mit Rippenstößen, Geflüster und Geschmeichel brachte ich Raven zum Gehen. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wo er sich befand oder was er hier machte. Aber er ließ mich ihn führen.
Ich machte mir Sorgen. Ich konnte keinen offensichtlichen Schaden feststellen, aber trotz- dem verhielt er sich nicht normal. »Bring ihn direkt in mein Lazarett«, sagte ich. Ich konnte Sturmbringer dabei nicht in die Augen sehen, und mein Satz hatte auch nicht den Tonfall, den
ich angestrebt hatte. Meine Worte klangen wie ein Flehen.
Fänger rief mich zu seinem Teppich. Ich kam mit der Begeisterung eines Schweines, das zur Schlachtbank geht. Er konnte immer noch ein Spiel spielen. Ein Sturz von seinem Teppich wäre eine dauerhafte Kur gegen jeden Zweifel, den er gegenüber meiner Fähigkeit zum Mundhalten noch hegen mochte.
Er folgte mir, warf sein blutiges Schwert auf den Teppich, ließ sich nieder. Der Teppich glitt hinauf und schwebte zum großen Rabatz an der Stiege zurück. Ich sah zu den reglosen Gestalten auf der Wiese zurück, während undeutliche Schamgefühle an mir nagten. Das war nicht richtig gewesen… Und doch, was hätte ich denn tun können? Etwas Goldenes, etwas, das einem bleichen Nebel ganz weit oben am Mitternachtshimmel glich, bewegte sich im Schatten, den ein Sandsteinturm warf. Mir blieb beinahe das Herz stehen.
Der Hauptmann ließ die kopflose und zunehmend demoralisierte Rebellenarmee in eine Fal- le laufen. Ein großes Gemetzel entbrannte. Mangelnde Truppenstärke und schiere Erschöp- fung verhinderten, daß die Kompanie die Rebellen vom Berg hinunterwarf. Daß sich die Un- terworfenen vornehm zurückhielten, war ebenfalls keine große Hilfe. Ein frisches Bataillon, ein magischer Angriff, und der Tag hätte uns gehört. Ich behandelte Raven auf der Flucht, nachdem ich ihn auf den letzten Wagen gelegt hatte, der nach Süden fuhr. Noch tagelang blieb er seltsam und teilnahmslos. Dadurch fiel es auch mir zu, mich um Darling zu kümmern. Das Kind war eine gute Ablenkung von der Niederge- schlagenheit eines weiteren Rückzugs.
Vielleicht war das die Art und Weise, wie sie Raven für seine Großzügigkeit belohnt hatte. »Das ist unser letztes Abrücken«, versprach der Hauptmann. Er bezeichnete es nicht als Rückzug, aber er hatte auch nicht die Stirn, es ein rückwärtiges Vorrücken, einen umgekehr- ten Vorstoß oder sonst irgendeinen Schwachsinn zu nennen. Er ließ auch die Tatsache unerwähnt, daß weiteres Abrücken erst nach dem Ende kommen würde. Wenn Charm fiel, bedeutete jener Tag das Todesdatum des Reiches der Lady. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden dabei diese
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