Im Dienst des Seelenfängers
will nicht so hastig vorstoßen, daß ich bei der Ankunft nicht mehr kämpfen kann.«
»Jawohl, Sir. Das werde ich ihm sagen, Sir.« Behutsam stieg der Kurier wieder auf sein Pferd. Seine Gefühle verbarg er gut.
Raven meinte: »Dafür wird Euch der Hinker das Herz herausschneiden.«
»Das Mißfallen des Hinkers ist mir nicht sehr wichtig. Ich dachte, daß Ihr zu uns stoßen würdet, bevor wir Opal verließen.«
»Meine Angelegenheiten benötigten etwas länger. Einer war gar nicht in der Stadt. Lord Ja- lena hat den anderen gewarnt. Ich brauchte drei Tage, um ihn zu finden.« »Was ist mit dem, der nicht in der Stadt war?« »Ich entschied mich eher dazu, zu Euch zu stoßen.« Die Antwort reichte nicht aus, aber der Hauptmann ging darüber hinweg. »Ich kann nicht zulassen, daß Ihr Euch uns anschließt, wenn Ihr noch Interessen außerhalb der Truppe habt.« »Ich habe sie aufgegeben. Die wichtigste Schuld ist bezahlt.« Damit meinte er die Frau. Das fühlte ich.
Der Hauptmann musterte ihn mürrisch. »In Ordnung. Du reitest bei Elmos Zug mit.« »Danke, Sir.« Es klang eigenartig. Er war es nicht gewohnt, jemanden mit Sir anzureden.
Unsere Reise nach Norden setzte sich an Elm vorbei in den Salient fort, an Rosen vorbei und weiter nach Norden nach Forsberg. Dieses ehemalige Königreich war zu einem blutigen Schlachtfeld geworden.
Die Stadt Oar liegt im nördlichsten Winkel von Forsberg, und in den Wäldern nördlich da- von liegt das Gräberland, wo die Lady und ihr Geliebter, der Dominator, vor vier Jahr- hunderten eingeschlossen wurden. Beharrliche nekromantische Vorstöße der Zauberer von Oar hatten die Lady und die Zehn Unterworfenen aus ihren finsteren, geduldigen Träumen geweckt. Jetzt bekämpften die schuldgeplagten Nachkommen die Lady. Südforsberg verharrte in trügerischem Frieden. Die Landbevölkerung hieß uns ohne Begei- sterung willkommen, aber nahm unser Geld nur allzu gern an. »Das liegt daran, daß es etwas Neues ist, daß die Soldaten der Lady auch bezahlen«, behaup- tete Raven. »Die Unterworfenen nehmen sich einfach das, was sie haben wollen.« Der Hauptmann grunzte. Wir hätten das Gleiche getan, wenn wir nicht anderslautende An- weisungen erhalten hätten. Seelenfänger hatte nahegelegt, daß wir uns höflich zeigten. Er hat- te dem Hauptmann eine fette Kriegskasse überreicht. Der Hauptmann war damit einverstan- den. Es ergab kaum Sinn, sich unnötig Feinde zu machen. Zwei Monate lang waren wir unterwegs gewesen. Eintausend Meilen lagen hinter uns. Wir waren erschöpft. Der Hauptmann befahl, daß wir unser Lager am Rande des Kriegsgebiets aufschlagen sollten. Vielleicht machte er sich Gedanken über unseren Dienst an der Lady. Jedenfalls ist es nicht sinnvoll, nach Ärger zu suchen, wenn man auch für das Nichtkämpfen bezahlt wird.
Der Hauptmann führte uns in einen Wald. Während wir das Lager aufschlugen, unterhielt er
sich mit Raven. Ich sah ihnen zu.
Eigenartig. Zwischen ihnen wurde ein Band geflochten. Ich konnte es nicht begreifen, weil ich von keinem der beiden genug wußte. Raven war ein neues Rätsel, der Hauptmann ein al- tes.
In all den Jahren, die ich den Hauptmann nun schon kenne, habe ich fast nichts über ihn er- fahren. Nur hier mal ein Gerücht und dort einen Hinweis, von Spekulationen ausgefüllt. Er wurde in einer der Juwelenstädte geboren. Er war ein Berufssoldat. Etwas brachte sein Privatleben durcheinander. Möglicherweise eine Frau. Er gab Verpflichtung und Titel auf und begab sich auf die Wanderschaft. Irgendwann stieß er zu unserer Truppe aus haltlosen Ver- bannten.
Wir alle haben unsere Vergangenheiten. Ich vermute, daß wir sie deshalb geheimhalten, nicht etwa, weil wir uns vor unseren früheren Leben verbergen, sondern weil wir glauben, daß wir einen romantischeren Eindruck machen, wenn wir mit den Augen rollen und dunkle Hin- weise auf wunderschöne Frauen fallen lassen, die für uns auf ewig unerreichbar sind. Die Männer, deren Geschichten ich habe ausgraben können, sind auf der Flucht vor dem Gesetz, nicht etwa vor einer tragischen Liebesangelegenheit. Allerdings stellten der Hauptmann und Raven wohl in dem anderen eine Seelenverwandt- schaft fest.
Das Lager war errichtet. Die Wächter waren unterwegs. Wir begaben uns zur Ruhe. Ob- gleich dieses Land einiges an Verkehr aufwies, bemerkten die streitenden Parteien uns doch nicht sofort.
Schweiger wandte seine Fähigkeiten an, um die Wachsamkeit unserer Wachposten zu stei- gern. Er entdeckte Spitzel
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