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Im Dienst des Seelenfängers

Titel: Im Dienst des Seelenfängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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unbequem sein. Steht auf.«
Ich erhob mich und wich zurück. Seelenfänger stand in seiner Paradehaltung da und beo- bachtete das Licht. Seine Stärke ließ nach. Ich konnte es ansehen, ohne daß es mir weh tat. Es schwebte um den Steinhaufen zu unseren Gefangenen und wurde so schwach, daß ich darin eine Frauengestalt erkennen konnte.
Die Lady sah den Hinker lange an. Der Hinker erwiderte den Blick. Sein Gesicht war aus- druckslos. Er befand sich jenseits aller Hoffnung oder Verzweiflung. Die Lady sagte. »Du hast mir eine Zeitlang gut gedient. Und dein Verrat hat mir mehr ge- nützt als geschadet. Ich bin nicht völlig gnadenlos.« Sie flammte zu einer Seite hinauf. Ein Schatten verschwand. Dort stand Raven mit aufgelegtem Pfeil. »Er gehört dir, Raven.« Ich sah den Hinker an. Er machte einen erregten und seltsam hoffnungsvollen Eindruck. Na- türlich würde er nicht am Leben bleiben, aber er würde rasch sterben, einfach, schmerzlos. »Nein«, sagte Raven. Nur das. Nur diese glatte Verweigerung. »Zu schade, Hinker«, sagte die Lady nachdenklich. Sie legte den Kopf in den Nacken und schrie etwas in den Himmel hinein.
    Hinker bäumte sich wild auf. Der Knebel flog ihm aus dem Mund. Seine Fußfesseln zerris-
sen. Er kam auf die Beine, versuchte loszurennen, einen Zauber auszusprechen, der ihn be- schützen würde. Er war gerade dreißig Fuß weit gekommen, als tausend Feuerschlangen aus der Nacht herausstießen und ihn überfluteten. Sie bedeckten seinen gesamten Körper. Sie glitten in seinen Mund, in die Nase, in seine Au- gen und Ohren. Sie nahmen den leichten Weg hinein und nagten sich durch Rücken und Brust und Bauch wieder ins Freie. Und er schrie. Und schrie. Und schrie. Und die gleiche furchtbare Lebenskraft, die sich Ravens todbringenden Pfeilen widersetzt hatte, hielt ihn auch während seiner Bestrafung am Leben.
Ich erbrach das Rindfleisch, meine einzige Mahlzeit an diesem Tag. Der Hinker schrie lange, lange Zeit und starb nicht. Schließlich wurde die Lady des Spieles müde und schickte die Schlangen fort. Sie wob einen dunstigen Kokon um den Hinker, stieß eine weitere Silbenfolge hervor. Eine riesige leuchtende Libelle fiel aus der Nacht, packte ihn und surrte nach Charm davon. Die Lady sagte: »Er wird noch jahrelang Unterhaltung bieten.« Sie warf einen Blick auf Seelenfänger, um sicherzugehen, daß er die Lektion auch verstanden hatte.
Fänger hatte keinen Muskel gerührt. Und rührte sich auch jetzt nicht. Die Lady sagte: »Croaker, was du jetzt sehen wirst, gibt es nur noch im Gedächtnis sehr we- niger. Selbst die meisten meiner Kämpen haben es vergessen.« Wovon, zur Hölle, redete sie?
Sie sah nach unten. Wisper krümmte sich zusammen. Die Lady sagte: »Nein, nichts in der Art. Du bist eine so herausragende Feindin gewesen. Ich werde dich dafür belohnen.« Seltsa- mes Gelächter erklang. »In der Runde der Unterworfenen ist ein Platz frei geworden.« Also das. Der stumpfe Pfeil, die Umstände, die zu diesem Augenblick geführt hatten, ge- wannen an Klarheit. Die Lady hatte beschlossen, daß Wisper den Hinker ersetzen sollte. Wann? Wann genau hatte sie diese Entscheidung getroffen? Der Hinker hatte schon seit ei- nem Jahr in ernsten Schwierigkeiten gesteckt und eine Demütigung nach der anderen erlitten. Hatte sie diese ebenfalls geplant? Ich glaube, ja. Ein Hinweis hier, ein Hinweis dort, ein flüch- tiges Gerücht und eine schwache Erinnerung… Fänger hatte zum Teil davon gewußt und uns dafür benutzt. Vielleicht schon seit dem Augenblick, als er uns in seine Dienste genommen hatte. Daß unsere Wege sich mit denen von Raven kreuzten, war sicherlich kein Zufall gewe- sen… Oh, sie war schon ein grausames, bösartiges, hinterhältiges, berechnendes Miststück. Aber das wußte ja jeder. Das war ihre Lebensgeschichte. Sie hatte ihren Ehemann entmach- tet. Falls man Seelenfänger glauben konnte, hatte sie ihre eigene Schwester ermordet. Warum war ich dann enttäuscht und überrascht? Ich sah zu Fänger hinüber. Er hatte sich nicht gerührt, aber seine Haltung hatte sich auf un- terschwellige Weise verändert. Er war vor Überraschung wie vom Donner gerührt. »Ja«, sagte die Lady zu ihm. »Du dachtest, daß nur der Dominator unterwerfen könnte.« Sie lachte sanft. »Du hast dich geirrt. Gib das an alle weiter, die immer noch daran denken, meinen Gatten wieder zum Leben erwecken zu wollen.«
Fänger regte sich leicht. Die Bedeutung dieser Bewegung entging mir, aber die Lady

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