Im Dienst des Seelenfängers
die du mir sagtest, eine Stunde, bevor Morgenstern und ihre Freunde mir einen Hinterhalt an der Stelle legten, zu der du mich geschickt hattest? Nur eine Warnung? Genau. Paß auf Seelenfänger auf. Er hat deinen wahren Namen erfahren. Bei einem Typen wie dem weiß man nie, was er vielleicht tun könnte.« Ich sagte: »Mal langsam mit der Verspottung, Raven. Paß auf ihn auf. Er macht etwas mit den Fingern.« Er ließ sie rhythmisch tanzen. »Ach ja!« rief Raven lachend. Er griff nach dem Schwert, das ich Wisper abgenommen hat- te, und hackte dem Hinker an beiden Händen etliche Finger ab. Raven sitzt mir im Nacken, daß ich in den Annalen nicht die ganze Wahrheit verzeichne. Ir- gendwann wird er das hier vielleicht lesen, und dann wird es ihm leid tun. Aber mal ganz ehr- lich, an dem Tag war er kein besonders netter Mensch. Mit Wisper hatte ich ein ähnliches Problem. Ich fand eine andere Lösung. Ich schnitt ihr die Haare ab und fesselte ihr damit die Finger. Raven quälte den Hinker, bis ich es nicht mehr aushielt. »Raven, das reicht jetzt wirklich. Warum gehst du nicht da rüber und hast ein Auge auf die beiden?« Er hatte keine bestimmten Anweisungen erhalten, was wir tun sollten, nachdem wir Wisper gefangengenommen hatten, aber ich vermutete, daß die Lady es Fänger sagen würde, und er würde dann hier auftauchen. Wir mußten die Lage nur im Griff behalten, bis es soweit war.
Eine halbe Stunde, nachdem ich Raven vom Hinker verscheucht hatte, stürzte Seelenfängers fliegender Teppich aus dem Himmel. Ein paar Fuß neben unseren Gefangenen sank er zu Bo- den. Fänger stieg ab, streckte sich und sah auf Wisper herunter. Er seufzte. »Kein schöner Anblick, Wisper«, stellte er mit der sachlichen Frauenstimme fest. »Andererseits bist du das ja nie gewesen. Ja. Mein Freund Croaker hat die vergrabenen Pakete gefunden.« Wispers harter kalter Blick suchte den meinen. Darin lag ein wütendes Versprechen. Anstatt mich dem zu stellen, wandte ich mich lieber ab. Ich stellte Seelenfängers Worte nicht richtig. Er drehte sich zum Hinker und schüttelte traurig den Kopf. »Nein. Das ist nichts Persönli- ches. Du hast dein Wohlwollen verspielt. Sie hat das befohlen.« Der Hinker erstarrte.
Seelenfänger fragte Raven: »Warum hast du ihn nicht getötet?« Raven setzte sich auf den Stamm des größeren umgestürzten Baumes, legte sich den Bogen über den Schoß und starrte zu Boden. Er gab keine Antwort. Ich sagte: »Er dachte, daß Ihr Euch etwas Besseres ausdenken könntet.« Fänger lachte. »Auf dem Weg hierher habe ich darüber nachgedacht. Nichts erschien ange- messen zu sein. Ich wähle Ravens Ausweg. Ich habe Wandler Bescheid gesagt. Er ist unter- wegs.« Er sah auf den Hinker herab. »Du bist in Schwierigkeiten, nicht wahr?« Zu mir ge- wandt: »Man sollte doch annehmen, daß ein Mann in seinem Alter auf seinem Weg etwas Weisheit angesammelt hätte.« Er wandte sich an Raven. »Raven, er war die Belohnung der Lady an dich.«
Raven grunzte. »Ich weiß es zu schätzen.« Ich hatte mir das schon gedacht. Aber angeblich sollte ich auch etwas aus dieser Sache be- ziehen, und bisher hatte ich noch nichts gesehen, das irgendeiner Wunschvorstellung von mir auch nur nahegekommen wäre.
Seelenfänger machte wieder seinen Trick mit dem Gedankenlesen. »Dein Lohn hat sich ver- ändert, glaube ich. Er ist noch nicht vergeben worden. Mach es dir bequem, Croaker. Wir werden noch lange hier sein.«
Ich ging zu Raven und setzte mich neben ihn. Wir sprachen nicht miteinander. Es gab nichts, was ich sagen wollte, und er hatte sich in sich selbst vergraben. Wie ich schon sagte, ein Mann kann nicht allein vom Haß leben.
Seelenfänger überprüfte noch einmal die Fesseln unserer Gefangenen, zerrte seinen Tep- pichpodest in den Schatten und hockte sich auf den Steinhaufen. Zwanzig Minuten später tauchte Formwandler auf, so groß, häßlich, schmutzig und stinkend wie immer. Er musterte kurz den Hinker, besprach sich mit Fänger, knurrte den Hinker eine halbe Minute lang an, stieg dann wieder auf seinen fliegenden Teppich und flog von dannen. Fänger erklärte: »Er gibt es ebenfalls weiter. Niemand will letztlich die Verantwortung über- nehmen.«
An wen könnte er es weitergeben? fragte ich mich. Sonstige Feinde von Format hatte der
Hinker nicht.
Fänger hob die Schultern und setzte sich wieder auf den Steinhaufen. Er murmelte in einem Dutzend Stimmen, zog sich in sich selbst zurück, schien beinahe zusammenzuschrumpfen. Ich
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