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Im Dienst des Seelenfängers

Titel: Im Dienst des Seelenfängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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schien
    damit zufrieden zu sein. Sie wandte sich wieder Wisper zu.
Die Rebellenfeldherrin war noch stärker vom Grauen gepackt, als es der Hinker gewesen war. Sie würde bald zu dem werden, das sie am meisten haßte – und sie konnte nichts da- gegen tun.
Die Lady kniete neben ihr nieder und begann, ihr Worte zuzuraunen. Ich sah zu, und ich weiß bis heute noch nicht, was ich eigentlich sah. Auch kann ich die La- dy genauso wenig beschreiben, wie Goblin es vermochte, obwohl ich die ganze Nacht in ihrer Nähe verbrachte. Vielleicht auch mehrere Nächte. Die Zeit hatte etwas Unwirkliches ange- nommen. Irgendwo verloren wir ein paar Tage. Aber ich sah sie, und ich war Zeuge des Ritu- als, das unseren gefährlichsten Feind zu einer von uns machte. An eines erinnere ich mich mit messerscharfer Klarheit. An ein großes gelbes Auge. Dassel- be Auge, das Goblin so sehr aus der Bahn geworfen hatte. Es kam heran und sah in mich und in Raven und in Wisper.
Es erschütterte mich nicht auf die gleiche Art und Weise, wie es Goblin geschehen war. Vielleicht bin ich weniger empfindsam. Oder meine Unwissenheit ist größer. Aber es war schlimm. Wie ich schon sagte, einige Tage sind mir abhanden gekommen. Dieses Auge ist nicht unfehlbar. Mit dem Kurzzeitgedächtnis hat es so seine Probleme. Die Lady erfuhr nichts von Schweigers Nähe. Alles andere besteht nur aus Bruchstücken der Erinnerung, und die meisten sind von Wispers Schreien erfüllt. Es gab einen Augenblick, als sich die Lichtung mit tanzenden Teu- feln füllte, deren innere Bosheit sie glühen ließ. Sie kämpften um das Vorrecht, Wisper zu besteigen. Dann war da eine Zeit, in der Wisper sich dem Auge gegenübersah. Eine Zeit, in der, wie ich glaube, Wisper starb und wieder zum Leben erweckt wurde, wieder starb und wieder auferstand, bis sie mit dem Tod auf das Innigste vertraut war. Dann gab es Zeiten, in denen sie gefoltert wurde. Und noch eine Begegnung mit dem Auge. Die Bruchstücke, die mir noch geblieben sind, legen nahe, daß sie zerschmettert, getötet, wiederbelebt und als ergebene Sklavin wieder zusammengesetzt wurde. Ich erinnere mich an ihren Treueeid für die Lady. Ihre Stimme troff vor kriecherischer Gefallbereitschaft. Lange nachdem es vorbei war, erwachte ich verwirrt, verloren und verängstigt. Ich brauchte eine Weile, bis ich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Die Verwirrung war Teil der Tarnung durch die Lady. Das, woran ich mich nicht erinnern konnte, das konnte auch nicht gegen sie verwendet werden.
Eine feine Belohnung.
Sie war fort. Wisper ebenso. Aber Seelenfänger war noch da, schritt die Lichtung auf und ab, murmelte in einem Dutzend Stimmen. In dem Augenblick, als ich versuchte, mich aufzu- setzen, verfiel er in Schweigen. Er starrte mich mit mißtrauisch vorgerecktem Kopf an. Ich stöhnte, versuchte aufzustehen, sackte wieder in mich zusammen. Ich legte eine kurze Kriechstrecke zurück und lehnte mich mit dem Rücken an einen Stein. Fänger brachte mir eine Feldflasche. Ich trank unbeholfen. Er sagte: »Du kannst etwas essen, nachdem du wieder beisammen bist.«
    Die Bemerkung machte mich auf meinen wütenden Hunger aufmerksam. Wie lang war es
her? »Was ist geschehen?«
»Woran erinnerst du dich?«
»An nicht viel. Wisper wurde unterworfen?« »Sie wird die Stelle des Hinkers einnehmen. Die Lady hat sie an die Ostfront gebracht. Ihre Kenntnisse über die andere Seite sollten die Dinge dort in Bewegung bringen.« Ich versuchte, die Spinnweben abzuschütteln. »Ich dachte, daß sie eine Nordstrategie ein- schlagen würden.«
»Das werden sie auch. Und sobald dein Freund sich wieder erholt, müssen wir nach Lords zurückkehren.« Mit einer leisen Frauenstimme gestand er: »Ich kannte Wisper nicht so gut, wie ich dachte. Als sie erfuhr, was in ihrem Lager geschehen war, gab sie die Nachricht wei- ter. Dieses eine Mal hat der Kreis rasch reagiert. Die üblichen Stellungskämpfe in den eigenen Reihen wurden vermieden. Sie riechen Blut. Sie haben die Verluste hingenommen und ließen uns durch unsere Spielereien abgelenkt, während sie ihre Manöver begannen. Sie haben sie verdammt gut verborgen gehalten. Und jetzt rückt Hardens Heer gegen Lords vor. Unsere Truppen sind immer noch im ganzen Wald verstreut. Sie hatte die Zähne der Falle gegen uns gerichtet.«
Ich wollte es nicht mehr hören. Ein Jahr voller schlechter Neuigkeiten ist wahrlich genug. Warum konnte nicht einer unserer Erfolge bestehen bleiben? »Sie hat sich absichtlich geop-

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