Im Dienst des Seelenfängers
heran, schwebte über mir und leuchtete wie ferne Sternhaufen. Ich war mir nicht sicher, ob ich wachte oder träumte, und bin mir immer noch nicht hinreichend schlüssig. Ich nenne es einen Traum, weil es mir so weniger unbehaglich auf dem Gemüt liegt. Ich den- ke nicht gerne daran, daß die Lady soviel Interesse an mir nehmen würde. Es war ja meine eigene Schuld. Die Romanzen, die ich über sie geschrieben hatte, hatten in dem fruchtbaren Stallboden meiner Phantasie Wurzeln geschlagen. Meine Träume waren so anmaßend. Die Lady selbst entsendet Ihren Geist, um einen dummen, kriegsmüden, in aller Stille verängstigten Soldaten zu trösten? Warum, um Himmels willen? Das Leuchten kam heran und schwebte über mir und übermittelte mir beruhigende Versiche- rungen, über denen Harmonien der Erheiterung lagen. Fürchte dich nicht, mein Getreuer. Die Zährenstiege ist nicht das Schloß zum Reich. Sie kann ohne Schaden zerbrechen. Was auch
immer geschehen mag, meine Getreuen werden in Sicherheit sein. Die Stiege ist nur ein Mei-
lenstein auf dem Weg der Rebellen zu ihrer Vernichtung.
Es gab noch mehr, das von verwirrend persönlicher Art war. Meine wildesten Wunschträu-
me wurden auf mich zurückgeworfen. Am Ende sah für nur einen Augenblick ein Gesicht aus dem goldenen Schimmer hervor. Es war das schönste Frauengesicht, das ich je gesehen hatte, obgleich ich mich nicht mehr daran erinnern kann, wie es aussah. Am anderen Morgen, als ich mein Lazarett in Gang brachte, erzählte ich Einauge von mei- nem Traum. Er sah mich an und zuckte die Achseln. »Zuviel Phantasie, Croaker.« Er war nicht ganz bei der Sache, er wollte nur seine medizinischen Pflichten ableisten und sich dann verdrücken. Er haßte diese Arbeit.
Als ich alles erledigt hatte, schlenderte ich zur Hauptbefestigung. Mein Kopf dröhnte, und meine Laune war auf dem Tiefpunkt. Die kühle trockene Bergluft war nicht so belebend, wie sie hätte sein sollen.
Wie ich feststellen durfte, war die Stimmung der Männer ebenso mies wie die meine. Unten setzten sich Hardens Streitkräfte in Bewegung. Zum Gewinnen gehört die grundlegende Gewißheit, daß, wie schlecht die Lage auch zu sein scheint, sich doch ein Weg zum Sieg auftun wird. Die Kompanie hegte diese Überzeugung bei dem Debakel von Lords. Selbst als die Truppen der Lady im Rückzug begriffen waren, hatten wir immer einen Weg gefunden, den Rebellen blutige Nasen zu verpassen. Doch jetzt… ist die Überzeugung ins Wanken geraten. Forsberg, Rosen, Lords und ein Dutzend weitere kleine Niederlagen. Zum Verlieren gehört die Umkehrung des Siegens. Uns peinigte eine geheime Angst, daß trotz der offenkundigen Geländevorteile und trotz der Unterstützung durch die Unterworfenen etwas schiefgehen würde.
Vielleicht kochten wir uns das selbst zusammen. Vielleicht standen der Hauptmann oder Seelenfänger dahinter. Vielleicht stellte es sich auch ganz natürlich ein, wie es diese Dinge eben so an sich hatten…
Einauge war hinter mir hinabgetrabt, übellaunig, mürrisch, in finsteren Selbstgesprächen be- griffen und auf Streit aus. Sein Weg kreuzte den von Goblin. Schlafmütze Goblin hatte sich gerade aus seinem Schlafsack geschleppt. Er wusch sich mit Hilfe einer Schüssel mit Wasser. Einauge entdeckte ihn und erspähte eine Gelegenheit, je- manden unter der eigenen miesen Laune leiden zu lassen. Er murmelte eine Reihe seltsamer Worte und begann mit einem sonderbaren Gehüpfe, das halb wie Ballett und halb wie ein primitiver Kriegstanz aussah.
Goblins Wasser verwandelte sich.
Ich roch es aus zwanzig Fuß Entfernung. Es hatte sich in eine fiese braune Brühe verwan- delt. Ekelerregende grüne Klumpen trieben an der Oberfläche. Es vermittelte sogar ein ver- faultes Gefühl .
Goblin erhob sich mit einer einzigartigen Würde und drehte sich um. Er sah einen boshaft grinsenden Einauge mehrere Sekunden lang an. Dann verneigte er sich. Als er sich wieder aufrichtete, hatte er ein breites Froschgrinsen aufgelegt. Er öffnete den Mund und ließ das entsetzlichste erderschütterndste Heulen los, das ich je gehört hatte.
Sie waren voll in Fahrt, und die Hölle mochte dem armen Narren gnädig sein, der sich ihnen in den Weg stellte. Schatten wieselten um Einauge herum und wanden sich wie tausend eklige Schlangen über den Boden. Geister tanzten, kamen unter Steinen hervorgekrochen, sprangen von Bäumen herab, hüpften aus den Büschen heraus. Sie krähten und heulten und kicherten und machten Jagd auf Einauges
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