Im Dienst ihrer Majestat
Nummer zwei.
»Mein lieber Graf«, diese Anrede schien ihm durch das Silberhaar und den Charme geboten zu sein, »bei der Arbeit unseres Amtes tauchen immer wieder Probleme auf, die man mit Nachforschungen und Archivstudien einfach nicht lösen kann. Wir sind, wie Sie wissen, in Ihrem Fall an einem schwierigen Punkt angelangt. Ich meine die Lücke zwischen dem Verschwinden der Linie Bleuville um die Zeit der Französischen Revolution und dem Auftauchen der Familie Blofeld in der Gegend von Augsburg.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Zum letzteren werde ich Ihnen später einen Vorschlag unterbreiten, der Ihnen hoffentlich genehm ist. Jetzt möchte ich folgendes sagen: Sie haben für diese Arbeit schon erhebliche Summen aufgewendet, und es wäre nicht fair von uns, die Nachforschungen ohne berechtigte Aussicht auf Erfolg fortzusetzen. Diese Aussicht besteht, aber sie erforderte eine persönliche Konfrontierung.«
»Und warum, wenn ich fragen darf?«
Bond zitierte Basilisks Beispiel der Habsburger Unterlippe und ähnliche Fälle. Dann beugte er sich vor. »Ein solches körperliches Merkmal gibt es auch bei den Bleuvilles. Wußten Sie das nicht?«
»Nein. Was denn für eines?«
»Ich habe gute Nachrichten für Sie, Graf«, verkündete Bond strahlend. »Alle Porträts und sonstigen Abbildungen der Bleuvilles, die wir ausfindig machen konnten, haben eines gemeinsam: die fehlenden Ohrläppchen!« Der Graf langte an seine Ohren. War das Komödie?
»Ich verstehe«, sagte er langsam. »Ich verstehe.« Er überlegte. »Und davon wollten Sie sich persönlich überzeugen? Mein Wort oder eine Fotografie hätten nicht genügt?« Bond sah ihn verlegen an. »Es tut mir leid, Graf, aber das war die Anordnung unseres Chefs. Ich bin nur ein freier Mitarbeiter und hoffe. Sie werden verstehen, daß das Amt äußerst korrekt vorgehen muß, wenn es sich um einen solch alten und prominenten Titel handelt.«
»Und nachdem Sie nun alles gesehen haben, was Sie wollten, halten Sie es da immer noch für schwierig, den Titel zu erlangen?«
Das war die schlimmste Hürde. »Der persönliche Augenschein ermöglicht es mir, eine Fortsetzung der Nachforschungen zu empfehlen, Graf. Und ich kann sagen, daß sich unsere Erfolgschancen vervielfacht haben. Ich habe die Unterlagen für eine erste Skizzierung des Stammbaumes mitgebracht und kann sie Ihnen in ein paar Tagen vorlegen. Doch leider sind aber immer noch viele Lücken vorhanden. Vor allem muß ich Sable Basilisk detaillierte Auskunft geben über die Abwanderung Ihrer Familie von Augsburg nach Gdingen. Es wäre mir sehr wertvoll, wenn ich Sie eingehend über die männliche Linie befragen könnte. Selbst Einzelheiten über Ihren Vater und Ihren Großvater würden uns enorm weiterhelfen. Könnten Sie sich eventuell für einen Tag frei machen und mich nach Augsburg begleiten, um persönlich festzustellen, ob die Handschrift dieser in den Archiven aufgeführten Blofelds sowie deren Vornamen und anderes irgendwelche Erinnerungen in Ihnen wecken? Das übrige würden wir dann im Amt erledigen. Ich habe leider nur eine Woche Zeit, aber ich stehe Ihnen auf Wunsch für diese Reise zur Verfügung.«
Der Graf stand auf. Bond folgte seinem Beispiel, ging lässig zum Geländer und bewunderte die Aussicht. Würde er anbeißen? Er hoffte es verzweifelt. Während der Unterhaltung war er zu dem Schluß gekommen, daß alle charakteristischen Züge im Äußeren und im Auftreten Blofelds durch geschickte Schauspielerei und raffinierte chirurgische und kosmetische Mittel erreicht werden konnten. Nur die Augen konnte man nicht verändern. Und die waren verdeckt.
»Und Sie meinen, selbst wenn einige Punkte zweifelhaft bleiben, könnte ich durch Ausdauer und Beharrlichkeit zu einer Beglaubigungsurkunde gelangen, die das Justizministerium in Paris befriedigt?«
»Gewiß«, log Bond. »Und mit Unterstützung unseres Amtes!« Das starre Lächeln wurde breiter. »Das wäre mir eine große Genugtuung, Sir Hilary. Ich bin der Comte de Bleuville; das spüre ich genau. Aber ich bin fest entschlossen, die amtliche Anerkennung meines Titels durchzusetzen. Sie sind mir als mein Gast herzlich willkommen. Ich stehe Ihnen für Ihre Nachforschungen jederzeit zur Verfügung.«
Bond sagte höflich, aber mit müdem Unterton: »Vielen Dank, Graf. Ich mache mich gleich an die Arbeit.«
11
Ein Mann in weißem Kittel und Sterilisationsmaske führte ihn hinaus. Bond versuchte erst gar nicht, eine Unterhaltung
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