Im Dienste der Comtesse
fällen.“
„Ja, nicht wahr?“ Mélusine lächelte. Sie hatte schon befürchtet, Suzanne entlassen zu müssen, doch das war nun wohl nicht nötig. Die redselige Suzanne war womöglich noch verblüffender als die schweigsame, aber sie schien Mélusine nichts Übles zu wollen.
Bis zum Abend hatte sich die Armee aus dem Zentrum von Paris zurückgezogen, doch die neu gebildete Miliz mit ihren rotblauen Kokarden brachte die Aufständischen unter Kontrolle. Als die Dunkelheit anbrach, wurden die Straßenlaternen angezündet, und die meisten Hausbesitzer fühlten sich so sicher, dass sie Licht in ihren Häusern machten.
„Die Lage ist immer noch sehr angespannt“, berichtete Pierre, als er von einem kurzen Ausflug zurückkehrte. „Die Leute greifen die Stadtzollhäuser mit allen möglichen Gegenständen an. Die Miliz will Waffen, doch fast alles, was sie bisher auftreiben konnte, sind uralte Hellebarden und Lanzen. Musketen und Schießpulver würden sie mehr interessieren. Niemand sollte das Haus verlassen.“
„ Sie waren draußen“, wandte Mélusine ein. „Haben Sie keine Angst, von dieser neuen Miliz einverleibt zu werden?“ Sie hatte das als Scherz gemeint, doch sobald die Worte ausgesprochen waren, erschauderte sie beim Gedanken an diese Möglichkeit.
Er lächelte. „Wenn ich will, kann ich mich sehr unauffällig verhalten.“
„Das sollten Sie auch“, erwiderte sie. „Ohne Sie kommen wir nicht zurecht.“
Ein beunruhigter Ausdruck huschte über seine Züge, der so rasch wieder verschwand, dass sie sich schon fragte, ob sie sich das nur eingebildet hatte. Trotzdem war sie besorgt. Sie gewann zunehmend Gewissheit, dass er seine eigenen Geheimnisse hatte, die er vor ihr verbarg. Auch ohne Suzannes Bemerkungen war sie zu dem Schluss gekommen, dass er nur begrenzte Erfahrungen als Friseur hatte. Warum hatte er dann gerade ihr Diener und Friseur werden wollen? Sie war eine völlig unbedeutende Witwe – deren Mann allerdings unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen war. Konnte Pierre wegen Bertiers Tod hier sein? Und wenn diese Angelegenheit geklärt war, würde er dann so plötzlich wieder verschwinden, wie er aufgetaucht war?
Noch am vergangenen Tag hatte sie gedacht, ihre einzige Sorge wären seine ehrbaren Prinzipien. Heute jedoch befürchtete sie, das könnte ihre geringste Sorge sein. Sie wusste mit großer Sicherheit, dass sie am Boden zerstört sein würde, wenn er jetzt fortginge.
10. KAPITEL
Dienstagmorgen, 14. Juli 1789
Der Himmel war wolkenverhangen, als Pierre sich auf den Weg zum Hôtel de Gilocourt machte. Mélusine glaubte, er wollte ihren Anwalt wegen Saint-André aufsuchen, und das hatte er später auch noch vor. Zuerst jedoch musste er dringend etwas in eigener Sache erledigen. In den vergangenen Tagen war er sich immer sicherer geworden, dass Séraphin hinter der Erpressung von La Motte steckte. Durch die Ausschreitungen war er gezwungen gewesen, seinen Plan, den Erpresser aufzuspüren, in den Hintergrund zu stellen, doch er konnte die Angelegenheit nicht ewig auf sich beruhen lassen. Er musste das Dokument finden, von dem der Erpresser La Mottes belastende Unterschrift kopiert hatte, es zerstören und sichergehen, dass Séraphin nicht noch weitere Beweise für Bertiers und La Mottes illegale Aktivitäten besaß. Er wusste nicht, ob Séraphin das Dokument nach Versailles mitgenommen oder es sicher in seinem Pariser Stadthaus zurückgelassen hatte. Es war zu spät, sich selbst um eine Anstellung in Séraphins Haushalt zu bewerben, daher brauchte er unbedingt einen Verbündeten im Hôtel de Gilocourt. Er wollte Laurettes Stellung nicht gefährden, aber er hoffte, sie konnte ihm sagen, ob es vielleicht eine freie Stelle gab, die er dann mit einer von Clothildes Kontaktpersonen zu besetzen gedachte.
Obwohl er ständig an den Erpresser denken musste, behielt Pierce wachsam seine Umgebung im Auge. Die Straßen waren voller Leute, und je mehr er sich der Rue de Varenne näherte, desto dichter wurde die Menge. Den Rufen der Männer um ihn herum entnahm er, dass sie sich am Invalidendom zusammenrotten wollten. Sie wollten Waffen und glaubten offensichtlich, sie dort finden zu können. Innerhalb weniger Augenblicke wurde er vom Strom der aufgebrachten und brüllenden Menge mitgerissen. Er sah sich um und prüfte seine Chancen, dem Gedrängel entkommen zu können. Ein Mann trat ihm in die Fersen, ein anderer rempelte ihn von der Seite her mit dem Ellenbogen an.
Er fühlte sich
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