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Im Dienste der Comtesse

Im Dienste der Comtesse

Titel: Im Dienste der Comtesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CLAIRE THORNTON
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stehen?“, fragte Suzanne misstrauisch.
    „Das ist eine gute Frage“, meinte Pierre. „Die französische Garde, die eigentlich der Krone treu ergeben sein soll, hat sich durchaus schon öfter auf die Seite Aufständischer geschlagen. Der König kann sich nicht auf ihre Unterstützung verlassen. Doch soweit ich in Erfahrung bringen konnte, stammt der Entschluss, eine Miliz aufzustellen, nicht vom König. Als Erkennungszeichen sollen die Leute blaurote Kokarden tragen, die Farben von Paris. Wir werden abwarten müssen, was der Morgen bringt. Inzwischen schlage ich vor, dass alle zu Bett gehen.“
    Mélusine gestattete Suzanne und der Haushälterin, sich zurückzuziehen. Als sie sicher war, dass die beiden außer Hörweite waren, bat sie Pierre, mit ins Atelier zu kommen. Sie öffnete die Tür und sah, dass das erste, noch schwache Tageslicht am Himmel aufzog. Die Nacht war fast vorüber.
    „Gibt es noch etwas, das Sie eben vor den anderen nicht sagen wollten?“, fragte sie ihn.
    Er schüttelte den Kopf.„Nein. Wie viele Viertel hat Paris?“
    „Ich weiß es nicht genau. Etwa sechzig, schätze ich.“ Sie war ein wenig überrascht, dass er das nicht wusste, wo er doch sonst immer so umfassend unterrichtet war. Doch dann fiel ihr ein, dass er ja ursprünglich nicht aus Paris stammte.
    „Achtundvierzigtausend Männer“, rechnete er zusammen. „Achthundert aus jedem Viertel. Wenn es ihnen gelingt, so schnell so viele Männer aufzustellen, wird das eine beeindruckende Streitmacht werden.“
    „Ich kann mir nicht vorstellen, was als Nächstes geschehen wird. Die ganze Welt – oder zumindest Paris – scheint aus den Fugen geraten zu sein!“
    Pierre lachte. „Gehen Sie zu Bett, Madame.“
    „Es ist doch schon fast Morgen.“
    Er zuckte die Achseln. „Die beste Zeit, ins Bett zu gehen. Vor allem, wenn man die ganze Nacht durchwacht hat.“
    Früher Montagnachmittag, 13. Juli 1789
    Mélusine schlief besser als erwartet nach den Aufregungen der Nacht und wachte kurz nach Mittag auf.
    „Halten Sie mich für eine Dirne?“, fragte sie Suzanne, als die Zofe Wasser in eine Schüssel gegossen hatte.
    „N…nein, Madame“, stammelte Suzanne.
    „Gestern haben Sie gesagt, alle feinen Damen seien Dirnen“, erinnerte Mélusine sie.
    „Aber Sie sind doch keine …“ Suzanne verstummte betroffen.
    „Keine feine Dame“, vollendete Mélusine trocken. „Sie haben recht. Mein Mann war zwar Adeliger, aber ich bin von Geburt her eine Bürgerliche.“
    „Nein, Madame, Sie sind eine echte Dame“, widersprach Suzanne. „Sie sind immer sehr höflich zu mir gewesen. Das Dirnenhafte an sich stört mich ja gar nicht so sehr. Wir haben alle unsere schwachen Momente. Nein, es ist die Grausamkeit. Ich mag es nicht, wenn eine Dame vor Wut, weil ihr Liebhaber sie betrogen hat, ihren Parfumflakon durchs Zimmer wirft – und mich ausschimpft, weil er dabei zerbrochen ist.“
    „Nun ja“, meinte Mélusine. „Das ist in der Tat sehr ungerecht.“
    „Von Ihnen befürchte ich so etwas nicht.“
    „Es freut mich, das zu hören.“
    „Sie haben auch nicht viele Parfumflakons.“
    „Das ist wahr.“
    „Sie sind exzentrisch“, fand Suzanne. „Ich habe noch nie für eine Exzentrikerin gearbeitet. Das ist eine besondere Erfahrung, Sie malen oder töpfern zu sehen. Dieser Pierre ist merkwürdig, nicht wahr? Toller Körper – aber der seltsamste Diener, den ich je gesehen habe. Sehr frei im Erteilen von Befehlen, aber immer höflich.“
    „Sie haben seinen Körper gesehen?“, fragte Mélusine.
    „Nur auf Ihren Zeichnungen. Schade, dass er die Hose nicht auch ausgezogen hat. Obwohl Sie ihn bestimmt dazu überreden könnten, wenn Sie wollten. Im Frisieren ist er nicht so besonders, nicht wahr? Es ist nicht so schlimm, bei Gott nicht, aber ich habe auch schon Besseres gesehen. Sein natürliches métier scheint eher zu sein, anderen Menschen Anweisungen zu geben.“
    „Ja, das stimmt“, erwiderte Mélusine. „Ich weiß, er ist nicht der beste Friseur der Welt, aber ich ziehe ihn meinem letzten Diener um Längen vor.“
    „Was war mit ihm?“
    „Er hat hinter meinem Rücken höhnisch über mich gelächelt“, erzählte Mélusine.
    „Sie hätten ihn entlassen sollen.“
    „Mein Mann hatte ihn ausgesucht. Es schien mir undankbar, Kritik an seiner Wahl zu äußern.“
    „Nun, auf einen Ehemann brauchen Sie jetzt ja keine Rücksicht mehr zu nehmen“, stellte Suzanne burschikos fest. „Sie können allein Ihre Entscheidungen

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