Im Dienste der Comtesse
hinunter- und wieder hinaufgeeilt. Das war nun hinfällig geworden, sie wusste, wo Pierre war. Sie hatte keine Ahnung, wie er da hineingeraten war, aber sie hatten darüber gesprochen, wie ungerecht es war, dass Saint-André ohne Erklärung und ohne Gerichtsverhandlung dort eingesperrt war, und wie schwer es sein würde, ihn freizubekommen. Was wohl geschehen würde, wenn die Bastille fiel? Dann würden sie die Gefangenen doch sicher freilassen? Und dennoch – Saint-André war ein Adeliger, und das sah man ihm auch an. Wie würden sie ihn behandeln?
Pierce rieb sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und beobachtete, wie herangerollte Kanonen auf die hochgezogene Zugbrücke ausgerichtet wurden. Er hatte geholfen, die am Morgen herbeigeschafften Karren als Deckung zu organisieren. Zwei Männer waren dabei erschossen worden. Pierce war nicht begeistert gewesen, in der Schusslinie zu stehen, aber er wollte, dass die Belagerung ein Ende nahm. Je länger sie dauerte, desto größer wurden Verwirrung und Verbitterung auf beiden Seiten.
Das bestätigte sich leider nur allzu bald. Oben auf den Zinnen begann ein Trommler, zum Rückzug zu trommeln, und zwei Männer schwenkten Taschentücher. Die Männer unten beachteten sie gar nicht. Sie schossen nur weiter mit ihren Musketen und brüllten: „Hinunter mit der Zugbrücke! Hinunter mit der Brücke!“
Die meisten von ihnen waren keine Soldaten. Sie kannten keine militärische Disziplin und waren schlecht organisiert. Pierre atmete tief durch. Selbst Soldaten unter der Aufsicht von Offizieren neigten dazu, am Ende einer Belagerung Amok zu laufen. Würde es ein Massaker an den Belagerten geben, wenn die Zugbrücke gesenkt wurde?
Ein Aufschrei der Menge ertönte, und Pierce sah, wie ein Stück Papier durch einen Spalt in der Zugbrücke geschoben wurde. Die Brücke befand sich jedoch jenseits des Burggrabens, und ein paar der Männer mussten erst Holzplanken holen, um an das Papier zu gelangen. Einer balancierte über die schwankenden Planken, griff danach und kehrte zurück.
„Der Gouverneur schreibt, wenn wir seine Kapitulation nicht akzeptieren, lässt er die Bastille und die angrenzende Nachbarschaft in die Luft sprengen. Die haben zwanzigtausend Pfund Schießpulver bei sich!“
Pierce hörte die wütenden Reaktionen auf dieses Ultimatum und fragte sich, ob de Launay entschlossen genug war, seine Drohung wahr zu machen. Die Männer um ihn herum wurden angestachelt von einem tief verwurzeltem Hass auf alles, was die Bastille verkörperte. Er konnte das teilweise nachvollziehen, obwohl es nicht sein Land und nicht sein Kampf waren.
„Keine Kapitulation! Herunter mit der Brücke!“
Ein Mann ging so zielstrebig auf die Kanonen zu, dass Pierce befürchtete, er würde gleich ins Visier genommen werden …
Die Zugbrücke senkte sich. Angespannt wartete Pierce auf Kanonenbeschuss von innen, aber alles blieb still. Er atmete auf. Die Bastille hatte sich ergeben. Wie würde die Menge jetzt reagieren?
Er folgte den ersten durch das Tor stürmenden Männern und hörte grimmig, aber wenig überrascht die Rufe der siegreichen Belagerer: „Hängt sie auf! Hängt sie auf!“
Mehrere eilten bereits nach unten zu den Verliesen, um die Gefangenen dort zu befreien. Pierce aber wusste, dass Saint-André sich in einer der Turmzellen befand. Durch das Gedränge bahnte er sich mühsam einen Weg zur Treppe, die hinauf zur Zelle des Marquis führte. Je höher er stieg, desto stärker wurde der Lärm von den dicken Mauern verschluckt. Inmitten von so viel Trubel war es ein bedrückender Gedanke, wie isoliert die Gefangenen in ihren Zellen waren.
„Ein Schlüssel wäre jetzt hilfreich, aber wenn es nicht anders geht …“, murmelte er vor sich hin und begutachtete das Schloss an Saint-Andrés Tür. Hoffentlich erwies sich das kurze Messer in seiner Jackentasche als robust genug für das, was er vorhatte.
Wenige Minuten später schwang die Tür auf. Es erstaunte Pierce nicht, den Marquis angespannt und wachsam in der Zelle stehen zu sehen. Saint-André atmete sichtlich auf, als er Pierce erkannte. „Sie sehen aus, als kämen Sie gerade von einer Schlacht, mein Lieber“, stellte er fest.
„So ist es. Das Volk hat die Bastille gestürmt.“
„Sehr gut.“ Er beobachtete, wie Pierce die Tür hinter sich zumachte. „Werden wir jetzt unsere eigene kleine Schlacht führen?“
„Hätten Sie getan, was Bertier von Ihnen verlangt hat?“, lautete Pierces Gegenfrage.
„Ach
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