Im Dienste Der Koenigin
kriegerischen Konfliktes ist die Finanzlage äußerst prekär; und der Druck hoher Steuern lastet nach wie vor auf den Menschen.«
La Rochefoucauld gab den Dienern ein Zeichen, seinen Gästen erneut Wein in die geschliffenen und vergoldeten Pokale einzuschenken.
»Ich muss gestehen, Herzog, die Zustände in meinem so lange entbehrten Heimatland Frankreich entsprechen genau Eurem pessimistischen Weltbild«, gab die Chevreuse zu. »Ihr seid doch der Ansicht, dass jedes menschliche Handeln ausschließlich in der Selbstsucht der Individuen seinen Ursprung habe, nicht wahr? Ich denke, Ihr habt leider Recht damit, Monsieur.«
»Noch warten alle darauf, dass die ›große Königin‹ für ein Wunder, sprich, für die große Wende, sorgen wird. Was aber wird geschehen, wenn die Untertanen endlich merken, dass sie einem großen Irrtum aufgesessen sind?«, fuhr der Gastgeber resigniert fort. Eine befriedigende Antwort vermochte niemand darauf zu geben. Marie erwog kurz, ihre Freundin Anna zu verteidigen, unterließ es dann aber. Verstand doch auch sie das politische Handeln der Königin, dessen einziges Anliegen das Wohl des Dauphins zu sein schien, bisweilen auch nicht recht …
Den ehemaligen Anhängern Kardinal Richelieus fiel ein Stein vom Herzen, als sie bemerkten, dass man sie größtenteils ungeschoren ließ - außer sie hatten sich schwerer Vergehen
schuldig gemacht. Und die Protestanten stimmten gar Loblieder an.
Sie hatten am meisten vor der spanischen, streng katholischen Regentin gezittert. Aber man ließ die Hugenotten in Ruhe und die Schafotte, zu Richelieus Zeiten eifrig in Gebrauch, wurden wieder abgebaut.
In Kürze gab es allerdings Schwierigkeiten ernster Natur mit den Remigranten. Sie waren stillschweigend davon ausgegangen, die gleiche Rolle spielen zu können wie vor ihrer Vertreibung durch Richelieu. Nun fanden sie zu ihrer maßlosen Enttäuschung alle einflussreichen Positionen schon besetzt vor: teils von Männern, die noch der verstorbene Kardinal und Erste Minister wegen ihrer fachlichen Kompetenzen eingesetzt hatte, teils von Leuten, die sich das Vertrauen Königin Annas und Kardinal Mazarins in kürzester Zeit erworben hatten. Diese unzufriedenen Rückkehrer störten den ohnehin mit einiger Mühe gewahrten Frieden im Land erheblich.
Zu Célestes Entsetzen gehörte zu ihnen auch ihre Schwester Marie. Sie mochte es zuerst nicht glauben, dass Marie sich zu solchen Dingen herabließ, aber es konnte keinen Zweifel daran geben, dass die »Vertraute der Königin«, wie sie sich neuerdings gerne nennen ließ, versuchte, Kardinal Mazarin schlechtzumachen.
KAPITEL 59
WAS MARIE DABEI nicht bedachte, war die Tatsache, dass sie damit auch ihre geliebte Anna in Misskredit brachte. Außerdem musste ihre Ablehnung des Kardinals die Königin traurig stimmen. Ja, richtiggehend wehtun würde ihr der unmotivierte Hass Maries! Kurzerhand stellte Céleste ihre Schwester eines Tages wütend zur Rede.
»Du kannst es wohl nicht ertragen, Marie, dass die Königin nicht mehr das verhuschte, graue Mäuslein ist, das sich am liebsten in einem Loch verkriechen würde, aus Angst, bei irgendjemandem Anstoß zu erregen, wie?«, fuhr sie erbost ihre Halbschwester an.
»Du scheinst zu vergessen, dass die Zeiten einer Maria de Medici mit ihren Gemeinheiten und eines Ludwig des Dreizehnten mit seinen unglaublichen Demütigungen ein für alle Male vorbei sind. Die Königin kann sich nach ihrem Belieben einen Berater wählen. Und dass ihre Wahl auf den intelligenten und klugen Jules Mazarin gefallen ist, geht nur sie etwas an!
Anna ist kein getretenes Aschenputtel mehr, das sich weinend nach einer starken Freundin sehnt, um sich Hilfe suchend anzuklammern. Sie ist selbstbewusst, stark und vollkommen souverän geworden. Wirst du damit nicht fertig, Marie? Gönnst du ihr diese Wandlung etwa nicht? Dann bist du keine wahre Freundin.«
Célestes Stimme war sehr scharf geworden. »Dann wäre es allerdings besser, du entferntest dich freiwillig vom Louvre, ehe du unangenehm auffällst und von Anna des Hofes verwiesen wirst. Ich habe nämlich Dinge gehört …«
»So! Was denn, bitteschön?«
Maries Erwiderung klang schrill und alarmiert: »Du glaubst doch nicht, dass ich so dumm bin und mich selbst kompromittiere, oder? Dazu ist mir meine Stellung am Hof viel zu wertvoll, als dass ich sie gefährden würde. Und was die Eifersucht angeht, da kann ich dich beruhigen, Schwester: Ich kenne dieses Gefühl gar nicht. Außerdem
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