Im Dienste Der Koenigin
reagierte.
»Madame Mère Céleste, was ist mit Euch? Ihr träumt ja«, sagte der Knabe dann und lächelte sie an.
»Verzeiht, Majestät, das soll nicht wieder vorkommen«, versprach Céleste dann jedes Mal hastig und wurde knallrot vor Verlegenheit.
»Wovon träumt Ihr denn, Madame?«, wollte der inzwischen Achtjährige wissen. »Etwa von der Liebe?«
Céleste errötete womöglich noch mehr und wehrte übertrieben ab, was den frühreifen Kleinen, der im Laufe der
Jahre so einiges an amourösen Affären mitbekommen hatte, zum Lachen brachte.
»Jede Dame und jeder Herr im Louvre tut es doch - warum solltet ausgerechnet Ihr eine Ausnahme machen, Madame?«
Aber Céleste ließ sich auf solche Unterhaltungen grundsätzlich nicht ein. Viele am Hof mochten das anders handhaben, aber sie hielt ihn für zu jung und unreif, um mit ihm derartige Themen zu erörtern.
Was Céleste offenbar nicht wusste - oder wovor sie die Augen verschloss, ebenso wie die fromme Anna - war die Tatsache, dass Prinzen an den Herrscherhöfen seit Jahrhunderten vom Personal frühzeitig aufgeklärt wurden über die Dinge, welche sich zwischen den Geschlechtern abzuspielen pflegten - auch mit praktischen Beispielen.
Ihre Schwester Marie wusste darüber bestens Bescheid:
»Nicht selten unterweist man die künftigen Könige auch in der gleichgeschlechtlichen Liebe, Céleste. Den Ministern erscheint es wichtig, dass der Monarch möglichst bald und möglichst stark auf sexuelle Beschäftigung fixiert ist - umso leichteres Spiel haben sie dann später mit einer nur an Erotik interessierten, gekrönten Marionette.
Stellt sich allerdings heraus, dass ein Dauphin nicht für Gott Eros zu begeistern ist, dann weckt man die Jagdleidenschaft in ihm. Ist er auch damit nicht hinter dem Ofen hervorzulocken, versucht man es mit der Liebe zur Musik. Alles an seichter Ablenkung ist besser, als seine Intelligenz zu fördern oder gar seinen Willen, später womöglich selbst die Regierungsgeschäfte in die Hand zu nehmen. In Spanien konnte ich das hautnah miterleben: Rey Felipe wäre vollkommen unfähig, selbstständig zu regieren. Er bemerkt nicht einmal, wie sehr sein Land mittlerweile heruntergewirtschaftet ist. Der
immense Reichtum aus den überseeischen Kolonien hat die Bevölkerung korrumpiert. Keiner will mehr arbeiten und dementsprechend verkommen sieht das Land auch aus.«
»Durch meine Schwester weiß ich jetzt, was der eigentliche Grund dafür ist, warum es so wenige kluge Könige gibt«, brüstete Céleste sich vor einem ihrer derzeitigen Liebhaber, einem Comte aus dem Languedoc, Monsieur Antoine de Rossignol, während sie ihm eine Schale mit Gebäck reichte.
»Oh, das ist bekannt, ma Chère«, gab der Comte träge zur Antwort. »Die Erzieher der königlichen Prinzen sind in der Mehrzahl darum bemüht, die künftigen Herrscher möglichst unwissend zu halten. Sie bemühen sich, die Köpfe ihrer Zöglinge mit hirnlosem Tand zu füllen, ihre Herzen mit eitlen Gefühlen und ihre Sinne mit primitiven Reizen zu überschwemmen. Niemand auf Erden ist mehr zu bedauern als ein französischer Dauphin, weil keiner sich für die Entfaltung seiner wirklichen Begabung interessiert, sondern diese im Gegenteil zu unterdrücken bestrebt ist.«
Der Comte de Rossignol, ein charmanter und kluger Mann von angenehmem Aussehen, hatte eine besondere Marotte: Er liebte vorzugsweise intelligente Frauen mit gravierenden körperlichen Mängeln. Zu seinen Mätressen gehörten Kleinwüchsige, Mädchen mit Klumpfüßen oder, wie jetzt, eine Frau mit einem schiefen Rücken und einem zu kurz geratenen Bein. Seine letzte Gespielin war eine zwar sehr kluge, aber mit einem monströsen Kropf ausgestattete Marquise gewesen …
Der Comte hatte sie bis zur Raserei geliebt und als sie an der Schwindsucht starb, hatte man schon befürchtet, er würde sich vor Gram das Leben nehmen. Zum Glück machte ihn ein Freund auf die Tochter des Herzogs de Rohan-Montbazon
aufmerksam und umgehend hatte Monsieur de Rossignol heftig um Céleste geworben. Diese hatte den potentiellen Liebhaber genau unter die Lupe genommen und ihn nach kurzem Überlegen für absolut perfekt befunden.
Auch Marie fand den Liebhaber für ihre Schwester geeignet.
»Deine anderen Beischläfer - außer Saint-Hector - haben sich mit dir ins Bett gelegt, obwohl du bucklig und schief bist, aber Antoine ist verrückt nach dir, weil du diese Mängel besitzt. Das ist ein großer Unterschied, meine Liebe«, erklärte sie.
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