Im Dienste Der Koenigin
»Und ich glaube, dein Antoine ist ein fantastischer Liebhaber, einfühlsam, einfallsreich und - wie ich für dich hoffe, Schwesterchen - sehr, sehr ausdauernd …«
Céleste kicherte und Marie überkam ein Gefühl, das der Empfindung des Neides nicht unähnlich war. Sie selbst war gerade von einem Aristokraten aus altem Geschlecht verlassen worden. Der Graf de Tourraine-Montciel hatte eine blutjunge Hofdame von gerade einmal vierzehn Jahren geheiratet und war noch sehr verliebt in das Mädchen. Und ihr anderer Liebhaber, Monsieur François de La Rochefoucauld, hielt sich derzeit in England auf.
»Ich muss im Augenblick leider mit meinem dicken Claude im Bett vorlieb nehmen, wenn ich überhaupt spüren will, dass ich eine Frau bin«, gestand Marie mit verdrossenem Gesicht. »Aber zu irgendetwas muss mein Gemahl ja gut sein - wenn er auch immer noch dem verflossenen Ludwig nachtrauert. Was ihm allerdings am ehemaligen König als Liebhaber so besonders gut gefallen hat, vermag ich absolut nicht nachzuvollziehen.«
»Meine liebe Schwester scheint vergessen zu haben, dass sie selbst einmal ganz angetan war von Ludwig XIII. und seinen Heldentaten auf der Matratze«, dachte Céleste erstaunt und amüsiert zugleich.
Aber da ihr nicht daran gelegen war, Marie zu provozieren, hielt sie lieber ihren Mund. Sie war viel zu glücklich darüber, dass ihre Schwester endlich wieder an ihrer Seite war.
KAPITEL 60
MARIE, DER CÉLESTES Tadel von neulich nicht mehr aus dem Kopf ging, beobachtete ihre königliche Freundin ganz genau und es kam ihr tatsächlich so vor, als wäre deren Zuneigung zu ihr, der »liebsten Herzensfreundin und Vertrauten« ein wenig abgekühlt. Ahnte die an und für sich recht vertrauensselige Regentin möglicherweise etwas von Maries unbedachten Äußerungen? Es lag ihr wirklich fern, die Regentin zu verleumden.
»Es wäre fatal«, dachte Marie, »wenn meine liebe Freundin die Vermutung hegte, ich wollte ihr auf irgendeine Weise schaden.« Sie überlegte, wie sie sich bei Anna erneut ins rechte Licht setzen könnte.
»Ich werde sie warnen und dadurch meine Besorgnis zeigen«, nahm die Chevreuse sich vor.
Anna selbst war es schließlich, die das intime Gespräch mit ihrer Vertrauten suchte. Die Damen hatten zwei Partien Schach gespielt, wobei jede einmal gewonnen hatte.
Die Regentin ließ leichten, aber spritzigen Wein von der Loire sowie eine Schale mit gesalzenem Gebäck bringen und die Freundinnen machten es sich auf einander gegenüber aufgestellten Fauteuils bequem.
Anna trank der Herzogin zu. »Auf Euch, Marie! Auf dass Ihr niemals ohne die Liebe eines Mannes sein müsst!«
»Oh, Madame! Ihr überrascht mich mit diesem Trinkspruch. Ich dachte immer, Ihr wäret mit meiner Art zu leben, nicht so ganz einverstanden?«
»So ist es auch, ma Chère. Aber ich habe eingesehen, dass Ihr ohne die Zuwendung von Verehrern nicht existieren könntet!«
»Sagt ruhig: Ohne die körperliche Beziehung zu Liebhabern, Madame«, entgegnete Marie. »Ich will ganz ehrlich sein: Ein Leben sans l’amour ist für mich undenkbar.«
»Ich verurteile Euch deswegen keineswegs, liebste Freundin«, beeilte sich Anna zu sagen, »aber ich kann es nicht so ganz nachvollziehen, was so reizvoll daran ist, einen Liebhaber nach dem anderen zu haben. Kaum ist die Geschichte mit einem Mann vorbei, habt Ihr am nächsten Tag einen anderen! Liebt Ihr denn diese Männer überhaupt nicht, dass Ihr sie so ohne weiteres auszutauschen vermögt? Hängt Euer Herz an keinem dieser Geliebten?«
»Diese Frage habe ich mir noch nie gestellt, Madame«, musste Marie nach kurzem Schweigen zugeben. »Ich glaube schon, dass ich die Männer gerne mag, mit denen ich eine Affäre habe, aber die ganz große Liebe ist es wohl niemals gewesen … Sonst könnte ich sie wahrscheinlich nicht so schnell ›ersetzen‹. Aber ich vergesse keinen der Herren und denke an jeden und an die Zeit mit ihm gerne zurück.«
Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber Marie wollte Anna nicht durch die Erwähnung von Ludwig XIII. kränken. Diesen Liebhaber hätte sie sehr wohl gerne vergessen …
»In dieser Beziehung, ma Chère, sind wir sehr verschieden. Aber das tut unserer Freundschaft keinen Abbruch, Marie.«
Und erneut erhob die Regentin ihr Glas, um auf ihre gegenseitige Zuneigung anzustoßen.
Marie de Chevreuse hatte den Eindruck, die Situation sei wie geschaffen dafür, Anna ihrer Treue zu versichern und sich selbst von jedem Vorwurf
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