Im Dienste Der Koenigin
Sympathie behandeln«, dachte Anna beruhigt. Alle konnten beobachten, dass der französische Bräutigam gute Laune hatte und keine Anzeichen eines gebrochenen Herzens erkennen ließ.
Die Hochzeit war nicht nur ein rauschendes Fest für die beiden jungen Menschen, sondern auch eine ganz besondere Feier für Anna, die nach über vierzig Jahren der Trennung und nach langen Jahren des Krieges endlich ihrem Bruder wieder in die Augen sehen konnte. Wie oft in den letzten Jahrzehnten hatte sie diesen Augenblick herbeigesehnt!
Sie war mit König Philipp zunächst auf neutralem Boden, auf der so genannten »Fasaneninsel« im Fluss Bidassoa, zusammengetroffen.
Sofort hatte sie ihn wiedererkannt, den spanischen Monarchen mit dem langen, schmalen Schädel, der hohen Stirn und den aufwärtsgezwirbelten Enden seines dunklen, mittlerweile grau gesprenkelten Schnurrbarts.
Obwohl nur von mittlerer Statur, schien er mit seinen großen Augen über alle Menschen hinwegzublicken. »Er gibt sich immer noch genauso steif und majestätisch unnahbar, wie ich ihn in Erinnerung hatte«, dachte Anna und war unwillkürlich gerührt. Wie sie mit Erstaunen erfuhr, war der staubtrockene Philipp inzwischen zu einem Förderer der Künste avanciert.
Seine Regierungsgeschäfte führte er dagegen wie eine lästige Nebenbeschäftigung - darum sollten sich andere kümmern - und in seiner persönlichen Lebensführung schwankte er angeblich zwischen Bigotterie und Laster.
Manche Höflinge behaupteten allen Ernstes, er habe in
seinem bisherigen Leben nur dreimal gelacht - etwas, woran Anna keinen Augenblick glaubte. Von Marie de Chevreuse wusste sie zuverlässig, dass das zumindest nicht der Wahrheit entsprach.
Freudig erregt eilte Anna dem spanischen Monarchen entgegen und machte in ihrem Gefühlsüberschwang Anstalten, den Bruder auf die Wange zu küssen, aber Philipp IV. verstand es geschickt, ihr auszuweichen. Stattdessen legte er ihr seine Hände auf die Schultern.
»Philipp, geliebter Bruder, ich hoffe, Ihr verzeiht mir, dass ich eine so gute Französin geworden bin«, brachte Anna nach dieser eher verlegenen Begrüßung heraus und konnte dabei ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. »Aber das war ich meinem Sohn und Frankreich schuldig.«
Philipp sah ihr lange in die Augen, ehe er bedächtig nickte. Aber was er seiner um einen halben Kopf kleineren Schwester daraufhin antwortete, vermochte niemand der Umstehenden zu verstehen. Allzu schwer schienen die Vorwürfe allerdings nicht zu sein, wenn man den Gesichtsausdruck Annas richtig deutete.
»König Philipp hat seiner Schwester scheinbar verziehen, aber die übrigen Habsburger - vor allem die in Wien - werden es mit Sicherheit nicht tun«, wusste Céleste ihrer bei Hof in Ungnade gefallenen Schwester Marie zu berichten.
Ehe Anna mit dem Hofstaat in Richtung spanische Grenze aufgebrochen war, hatte sie der Herzogin de Chevreuse immerhin erlaubt, das Landgut ihres Gemahls an der Loire zu verlassen und wieder ihr Palais in Paris zu beziehen.
Die inständigen Bitten Célestes hatten zumindest dies zuwege gebracht.
Célestes Zorn auf Marie war rasch verflogen und sie war bei
Anna wiederholt vorstellig geworden, um für Marie die Erlaubnis zu erwirken, an der Hochzeit teilzunehmen.
Aber in diesem Punkt hatte die Königinmutter sich nicht erweichen lassen und Marie war sehr betrübt, bei der Feier nicht dabei sein zu dürfen - hätte sie doch gar zu gern ihren ehemaligen Geliebten Felipe wiedergesehen!
Anna war jedoch noch immer böse auf sie und brachte es nicht über sich, sie einzuladen. So übte sich die Chevreuse in Demut. Vorerst.
Mit einem koketten Lachen versuchte sie sich zu trösten und erklärte Céleste: »Vielleicht ist es ganz gut so; dann kann ich den spanischen König so in Erinnerung behalten, wie er damals war: Nicht gerade sehr hübsch mit seinem langen, immer verdrießlichen Gesicht und der ausgeprägten Habsburger Unterlippe.
Aber immerhin war er damals viel jünger, mit vollem, dunkelbraunem Haar und noch ziemlich schlank. Wie ich gehört habe, soll sich das geändert haben …«
Was Marie in Wahrheit am meisten Kummer bereitete, war die Tatsache, dass sie sich ihrem ehemaligen Liebhaber nicht präsentieren durfte als, trotz ihrer siebenundfünfzig Jahre, immer noch schöne, reizvolle Frau.
»Es ist kein Geheimnis, dass vor allem die Österreicher, allen voran der deutsche Kaiser Ferdinand III., nur mit unbändiger Wut ›Annas, der Verräterin‹, gedenken«, fuhr
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