Im Dienste Der Koenigin
Seine Majestät so offensichtlich hingerissen war von der »Provinzschönheit«, wie Marie von manchen spöttisch hinter vorgehaltener Hand bezeichnet wurde, damit hatte niemand gerechnet - am allerwenigsten Charles d’Albert.
Marie fiel sofort das gewisse Glitzern in Ludwigs dunkelbraunen Augen auf und dessen heftiges Atmen wusste sie ebenfalls richtig zu deuten: Frei heraus gesagt, der König wollte sie offensichtlich besitzen …
Mit dieser neuerlichen Katastrophe hatte die junge Frau nun ganz gewiss nicht gerechnet! Dass ihr der König äußerlich überhaupt nicht zusagte, fiel dabei noch am wenigsten ins Gewicht: Seiner Majestät kam dafür der Nimbus seiner herausragenden Stellung zugute.
Wie aber würde sich ihr Gemahl verhalten, wenn er vom
Begehren des Königs erfuhr? Marie lief es unwillkürlich eiskalt den Rücken hinunter. Sie sah nur Schwierigkeiten auf sich zukommen. Eine Liaison mit dem Monarchen könnte das Ende ihrer Ehe bedeuten. Und dann? Darüber, dass solch eine Beziehung zudem eine schwere Sünde darstellte, wollte sie vorerst gar nicht nachdenken. Der Abbé würde sie dafür sicherlich in Grund und Boden verdammen …
Der Konnetabel, der ebenfalls Augen im Kopf hatte und sich seinen Teil dachte, beschloss, den Herrscher heute Abend ganz genau zu beobachten. Möglicherweise würde er seine Frau in den nächsten Tagen außerhalb von Ludwigs Reichweite schaffen müssen.
»Diese Marie de Luynes bewegt sich im Louvre, als wäre sie dort geboren«, wandte sich eine alte Gräfin anerkennend an die Königinmutter, die mit säuerlichem Gesichtsausdruck verfolgte, was sich vor aller Augen abspielte: Der Monarch umwarb ganz offen die Ehefrau seines Favoriten.
Wahrlich ein Thema, von dem jeder Höfling nur träumen konnte! Das ergab Stoff für monatelanges Gerede. Geradezu schwelgen würde man im Hofklatsch! Maria de Medici fühlte, wie der Zorn in ihr aufstieg.
Wieder war ein junges, attraktives - und wie es den Anschein hatte, dazu noch intelligentes - Frauenzimmer am Hof aufgetaucht, das geeignet schien, Macht über ihren Sohn zu gewinnen, während ihr eigener Einfluss auf ihn immer mehr schrumpfte. Den ihrer Schwiegertochter, Anna von Österreich, hatte sie glücklicherweise von Anfang an erfolgreich unterdrückt - bislang zumindest.
Jetzt war es also diese Marie de Luynes, die sich anschickte, eine gefährliche Rivalin zu werden. Das kleine Biest hatte ein azurblaues, mit Silberfäden durchwirktes Brokatkleid mit gebauschten langen Ärmeln gewählt, dessen Ausschnitt auf dezente
Weise - aber dennoch deutlich genug - ihre jugendlich frischen Brüste erahnen ließ.
Diese berechnende Person wusste ganz offensichtlich, wie man den König umgarnen - und womit man ihn erzürnen konnte. Davon zeugte auch ihre Wortwahl: Im Gespräch zeigte sie sich klug, aber nicht besserwisserisch, schlagfertig, jedoch keineswegs unverschämt. Selbst das Mittel bescheiden niedergeschlagener Augenlider wusste sie geschickt einzusetzen, ohne kokett zu erscheinen oder gar - was noch schlimmer gewesen wäre - dümmlich.
Hatte Marie die Beobachtung, dass die Königin offenbar die neuerlichen Ambitionen ihres Gemahls nicht bemerkte, bereits aufatmen lassen, ließ eine andere Beobachtung sie vor Schreck beinahe erstarren. Sie hatte den »Basiliskenblick« der Königinmutter aufgefangen und der verhieß wahrlich nichts Gutes!
Dass sie ihre Schwiegertochter - obwohl sie diese für ihren Sohn selbst ausgewählt hatte - hasste, das pfiffen die Spatzen von den Dächern. Wie es den Anschein hatte, hasste sie jedoch alle jungen attraktiven Frauen und würde, wenn nötig, auch zu drastischen Mitteln greifen, um ihren durch Charles d’Albert geschwundenen Einfluss auf Ludwig wiederzuerlangen.
»Nicht umsonst sagt man den Medici nach, dass sie sich mit Giften und ihrer Anwendung bestens auskennen«, kam es der verängstigten Marie schlagartig in den Sinn und sie blickte verstohlen auf die verbissen wirkende Witwe Heinrichs IV.
Von Madame Gabrielle wusste sie, dass die alte Königin vom eigenen Gemahl und seinen Mätressen jahrelang erniedrigt worden war. Ganz besonders von Cathérine Henriette de Balzac d’Entragues, die sie öffentlich gedemütigt hatte. Sie hatte Marias plumpen Gang parodiert und sie als »dickes Bankiersweib«
bezeichnet, in Anspielung auf die ehemalige Profession der Medicisippe - ohne dass ihr Gemahl dagegen eingeschritten wäre.
Im Gegenteil! Laut gelacht hatte König Heinrich, wie man sich erzählte.
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