Im Dienste Der Koenigin
anderen absichtlich ignorierend. »Ihr verzeiht, Madame, und lasst mich meine Arbeit tun, ja?«
Erneut versuchte Marie, sich an der bösartigen Schwiegermutter vorbeizudrängen, wobei sie die Alte, die keinen Zentimeter zur Seite wich, sogar leicht anrempelte.
»Ihr macht besser, dass Ihr Euch wieder entfernt, Madame«, rief Ludwigs Mutter höhnisch. »Ihr werdet hier nämlich keineswegs benötigt! Sie hat ausrichten lassen, dass sie in Ruhe gelassen werden möchte. Irgendwie logisch, nicht wahr? Hinterher ist man meistens etwas müde …«
Es war unglaublich. Diese massiven ordinären Anspielungen brachten Marie vollkommen aus dem Konzept. So etwas war ihr noch nie in ihrem Leben untergekommen.
»Ich muss aber jetzt dringend mit der Königin sprechen, Madame«, beharrte sie. »Ich muss wissen, was Ihre Majestät für den Aufenthalt in Boulogne sur Mer an Garderobe mitzunehmen wünscht und …«
»Um gar nichts müsst Ihr Euch kümmern, Kindchen! Ihr bleibt mit dieser da …« - sie deutete verächtlich in Richtung Schlafzimmertür - »hier in Amiens und wartet brav, bis ich zurückkomme. Dann hat sie genügend Zeit, sich von ihrer Eskapade zu erholen, und wir fahren gemeinsam nach Paris zurück. Habt Ihr mich jetzt verstanden, Madame?«
Oh ja! Marie hatte begriffen. Wenn sie unbedingt zu Anna vordringen wollte, würde sie handgreiflich werden müssen und die Hexe energisch beiseitestoßen. So weit aber konnte und durfte sie nicht gehen.
»Ich werde es morgen in aller Frühe wieder versuchen«, dachte sie, machte eine äußerst knappe, beinahe schon beleidigend zu nennende Verbeugung vor der Witwe Heinrichs IV. und suchte wutschnaubend ihr eigenes Gemach auf.
Bereits um fünf Uhr am Morgen des nächsten Tages stand Marie vor Königin Annas Lager. Sie sah auf den ersten Blick, dass die Freundin an diesem Tag nicht in der Lage sein würde, weiterzureisen. Wenn man in ihre vom Weinen verquollenen Augen sah, wusste man, es hatte gar keinen Sinn, dies auch nur in Erwägung zu ziehen.
Während Anna, die einen kleinen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, gerade vom Arzt zur Ader gelassen wurde, tauchte doch - Marie traute ihren Augen kaum - dieser Teufelskerl Lord Buckingham auf!
Unter einem fadenscheinigen Vorwand hatte er sich von der übrigen Reisegesellschaft, die vor einer halben Stunde aufgebrochen war, getrennt und war nach Schloss Amiens zurückgaloppiert,
wo er sich den Eintritt in Annas Schlafgemach mit Gewalt zu erzwingen wusste.
Zum Entsetzen der anwesenden Hofdamen - oder sollte man lieber sagen: zu deren Entzücken? - sank er vor Annas Lager auf die Knie, ergriff ihre Hände, bedeckte sie mit unzähligen Küssen und stammelte allerlei »verliebten Unsinn«. Die Königin ließ seine Liebkosungen und Beteuerungen indes völlig teilnahmslos über sich ergehen. Als er kurz darauf wieder davonstürmte, machte er beinahe den Eindruck eines Wahnsinnigen.
Marie, die dieser Szene hilflos beiwohnen musste, standen Tränen des Zorns in den Augen. Waren denn alle hier verrückt geworden? Ihr graute jetzt wahrlich vor der fälligen Strafaktion des Königs.
Und in der Tat: Kaum genesen hielt Ludwig sein strenges Gericht. Sämtliche Höflinge, die an diesem verhängnisvollen Juniabend des Jahres 1625 Dienst und somit den Auftrag gehabt hatten, die Königin auf Schritt und Tritt zu begleiten und sorgfältig zu überwachen, wurden mit Schimpf und Schande entlassen.
Marie war Céleste im Nachhinein ausgesprochen dankbar für ihren guten Rat. Sich mit einer Ausrede früher zurückgezogen zu haben, bewahrte sie nämlich vor dem königlichen Bannstrahl. Mit Anna selbst wechselte der Monarch kein einziges Wort.
»Die Königin hat großes Glück, dass Seine Majestät im Augenblick anderweitig beschäftigt ist«, wusste die stets erstaunlich gut informierte Céleste. »Er liebt jetzt einen blutjungen Pagen, den er nach nur zweimonatiger Liaison bereits zum Generalleutnant befördert hat. Dein Gatte Claude scheint mehr oder weniger abgeschrieben zu sein.«
»Selbst wenn dem König momentan der Sinn nicht nach Rache an seiner vermeintlich untreuen Gemahlin steht, so ist Anna doch keineswegs außer Gefahr«, befürchtete Marie, der es herzlich gleichgültig war, wem der König im Augenblick seine Gunst schenkte. Hauptsache, er ließ nicht mehr nach ihr schicken.
»Der Zweifel, wie weit die Königin in ihrer Verliebtheit gegangen sein mag, scheint Kardinal Richelieu umso heftiger zu quälen. Seine Eminenz
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