Im Dienste Der Koenigin
vollkommen gleichgültig war, ob seine Schwester bei ihm oder in England lebte oder gar auf dem Mond; positive Gefühle waren Ludwigs Sache ihrer Meinung nach nicht …
KAPITEL 22
DIE REISEGESELLSCHAFT KAM nur ganz langsam voran. An jedem Ort, wo sie Halt machte, wurden glanzvolle Empfänge gegeben und rauschende Bälle veranstaltet, um der scheidenden Prinzessin Madame Henriette Ehre zu erweisen und sie mit guten Erinnerungen an ihre Heimat in die Fremde ziehen zu lassen.
Königin Anna indes blühte mit blitzenden Augen und geröteten Wangen zu noch größerer Schönheit auf, wenn der entflammte Lord Buckingham sie mit seinen Blicken geradezu verschlang …
Trotz der Anwesenheit der grimmigen Schwiegermutter benahm sich Anna, als wolle sie endlich Versäumtes nachholen: Sie lachte, war fröhlich und glücklich und genoss es, eine begehrenswerte Frau zu sein.
Ja, es schien sogar, als sei die Königin gleichsam über Nacht ein Stückchen größer geworden. Aufrecht, schlank, mit sanften Rundungen und einer atemberaubend schmalen Taille bezauberte sie jedermann. Selten hatte man Annas kleinen Mund so lachen sehen und es war eine Freude, zu beobachten, wie temperamentvoll sie plötzlich ihre wunderbar zarten, weißen Hände bewegte.
Marie, ihre Vertraute, gönnte ihr dieses Glücksgefühl zwar von Herzen, erinnerte die förmlich einen halben Meter über dem Erdboden schwebende Königin aber ganz sachte daran, dass Maria de Medici ihre missgünstigen Augen überall hatte.
Anna aber lachte nur und jubelte: »Was kann ich denn dafür, wenn er mich liebt?« Die Königin vermochte nicht zu sagen, ob sie sich jemals in ihrem Leben schon so leicht und
glücklich gefühlt hatte. Auf einmal verstand sie, warum um die Liebe solch ein Aufheben gemacht wurde.
An einem der Abende, die Prinzessin Henriette noch auf französischem Terrain verbringen würde, war ein großer Ball auf Schloss Amiens geplant und Anna ließ ihr schönstes Ballkleid bereitlegen - ein Gewand aus cremefarbenen Brüsseler Spitzen über einem Seidenunterkleid von gleichem Farbton und mit einer Miederverschnürung aus schimmernden Perlen.
»Heute wird es einen Skandal geben«, prophezeite Céleste ihrer Schwester bereits am Nachmittag. »Ich rate dir, Marie, entferne dich von dem Ball möglichst früh. Die Zeichen stehen seit längerem auf Sturm und wer sich nicht in Deckung begibt, wird die Folgen am eigenen Leibe zu spüren bekommen.
Du kennst Ludwig und seine Mutter! Behaupte einfach, du fühlst dich nicht wohl. Lass dich gleich nach dem Abendessen, auf jeden Fall aber noch vor dem Ball, beurlauben, Schwesterherz.
Wenn es möglich ist, warne um Gottes willen die Königin! Es braut sich etwas über ihrem Haupt zusammen.«
»Wenn es dir so wichtig ist, dann befolge ich deinen Rat, Céleste.« Marie war tatsächlich beeindruckt von den eindringlichen Worten der Schwester, die gelegentlich über Vorahnungen verfügte. Im Allgemeinen empfahl es sich, auf sie zu hören. Außerdem war Marie sicher, dass es ihr nicht allzu schwer fiele, Richard Holland zu bewegen, sich ebenfalls zeitig aus dem Ballsaal davonzuschleichen.
Große Sorgen bereitete ihr jedoch der Umstand, dass sie keinen Augenblick mit Anna allein war, um ihr den guten Rat erteilen zu können, heute ganz bewusst zu George Villiers auf Distanz zu gehen. Ständig war die strahlende Königin von
Hofleuten umgeben, die sich in ihrem Glanz sonnten; vergeblich versuchte Marie, ihre Freundin auf ein mögliches Ungemach vorzubereiten.
»Obwohl ich Anna wie ein Schoßhündchen hinterhergelaufen bin, war es mir nicht möglich, sie zu warnen«, beklagte sich Marie bei Céleste, als sie in die Gemächer zurückkehrte, die sie während des Aufenthalts auf Schloss Amiens bewohnte.
»Die Königin ist erwachsen und durchaus nicht dumm, Marie. Sie weiß gewiss selbst, dass ihre böswillige Schwiegermutter bestrebt ist, ihr eine eheliche Verfehlung anzuhängen«, beruhigte Céleste die besorgte Marie, die hin und her gerissen war zwischen ihrem Verantwortungsgefühl Anna gegenüber und der Sehnsucht nach ihrem Liebhaber, Richard Holland.
Es war ein lauer Juniabend und die Königin hatte gerade mehrere schnelle Tänze absolviert. Erhitzt spazierte Anna durch den dunklen Schlosspark, um sich »ein wenig Abkühlung zu verschaffen«, wie sie ihrer Umgebung atemlos zugeflüstert hatte. Die Hofdamen hatten gar nicht so schnell reagieren können, wie die junge Königin auch schon verschwunden war …
Nach
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