Im Dienste Der Koenigin
zumeist die Niedriggestellten, ehe man die ein wenig größeren Kinder zu Verwandten oder Freunden abschob. Dort sollten sie dann die Fertigkeiten eines Kavaliers oder einer Dame »von Stand« erwerben, um im Erwachsenenalter Karriere zu machen und damit zur Ehre ihrer eigenen Sippe beizutragen.
»Die Chevreuse« - wie man sie jetzt bei Hof allgemein nannte - hatte, als sie ihre fünfte Schwangerschaft bemerkte, regelrecht getobt und anschließend heilige Eide geschworen, nie mehr einen Mann auch nur in ihre Nähe zu lassen.
Aber Anna konnte darüber bloß lachen. »Meine liebe Marie, da halte ich jede Wette dagegen, dass Ihr das nicht lange durchhaltet und bald wieder einen neuen Liebhaber umarmen werdet.«
Im Übrigen vermochte Anna - nach etlichen Fehlgeburten - ihre Freundin immer weniger zu verstehen. »Wenn ich das große Glück hätte, dass Gott mir endlich Kinder schenkte, würde ich auf Knien nach Santiago de Compostela zum heiligen Jakob pilgern. Und die Kerzen, die ich der Jungfrau Maria stiften würde, könnte niemand mehr zählen! Eine Kirche
würde ich bauen lassen zu Ehren der Gottesmutter und ein Kloster noch dazu.
Und was tut Ihr, meine Liebe? Ihr beklagt Euch über den Kindersegen. Das kann doch nicht wirklich Euer Ernst sein! Zumal Ihr, Liebste, alles dazu beitragt, andauernd schwanger zu werden. Ich habe es längst aufgegeben, mir die Anzahl Eurer Liebhaber zu merken - von deren Namen ganz zu schweigen.«
Beinahe war die Königin ernstlich verärgert über die gedankenlose und egoistische Haltung ihrer liebsten Freundin. Es war doch die vornehmste Aufgabe einer Ehefrau, Kindern das Leben zu schenken. Marie hingegen machte sich tatsächlich vor allem Sorgen um ihren Taillenumfang.
Die Erste Hofdame war ein wenig betroffen über den königlichen Tadel, aber sie fing sich rasch.
»Gott mag mir verzeihen, aber ich kann nun einmal nicht anders. Wenn ein attraktiver Mann um meine Gunst wirbt, kann ich nicht widerstehen. Das Spiel der Liebe ist viel zu aufregend und schön, um es sich zu versagen, Madame! Das Herzklopfen und das Gefühl der zitternden Knie, wenn der Geliebte sich einem in eindeutiger Absicht nähert - es gibt nichts Erregenderes als diese Momente, die wir Frauen nur in der Jugend unbeschwert genießen können. Wer wird sich schon noch um uns bemühen, wenn wir alt und voller Falten sind?«
Die Königin errötete. »Das mag ja sein, ma Chère, aber denkt Ihr überhaupt nicht daran, dass Ihr - eine immerhin verheiratete Frau und Mutter - Euch damit schwer versündigt an Eurem Gatten - und vor Gott?«
»Das behauptet die Kirche, Madame. Und ich kann Euch beruhigen: Ich beichte meine Sünden jedes Mal. Aber sobald ein gut aussehender und charmanter Herr mir sein Herz zu Füßen legt, kann ich wohl niemals Nein sagen.«
» Liebt Ihr alle diese Männer eigentlich, Marie?«, erkundigte sich Anna nach einer kleinen Gesprächspause skeptisch. »Ich denke, man kann nur einmal in seinem Leben wahrhaft lieben.«
»Aber natürlich empfinde ich für jeden meiner Liebhaber tiefe Gefühle, Madame. Solange die Affäre mit ihm anhält, liebe ich diesen Mann - sehr sogar. Aber ich will Euch nichts vormachen: Bei mir ist es immer so, dass diese Empfindung nicht auf Dauer anhält …«
»Würde ich Euch nicht besser kennen, Marie, könnte ich beinahe auf den Gedanken kommen, Ihr wäret ein wenig oberflächlich.« Die Königin wirkte leicht verstimmt. Erinnerten sie doch Maries Kindersegen und ihr leichtfertiger Umgang mit den Männern nur immer wieder an ihre eigene Unfähigkeit, ihrer zutiefst unglücklichen Ehe mit Ludwig zu entrinnen. Doch die ehrliche Bestürzung, die ihrer Freundin ins Gesicht geschrieben war, ließ Anna rasch ihren flüchtigen Ärger vergessen.
»Euch, Madame, werde ich immer lieben; das vermag ich ehrlichen Herzens zu behaupten«, versprach die Herzogin auch sogleich treuherzig und küsste Anna freundschaftlich auf die Wange. Das konnte sie sich nur erlauben, wenn sonst niemand zugegen war. Der Königin derart nahezukommen, hätte als Majestätsbeleidigung gegolten, so es einer der Höflinge oder der Domestiken beobachtet hätte. Und boshafte Spitzel des Kardinals hätten womöglich das Gerücht einer unerlaubten Beziehung zwischen den beiden Frauen in die Welt gesetzt...
Eine Weile hüteten sich Anna und Marie vor den Spionen des Kardinals. Dieser lauerte wie eine große bösartige Spinne in seinem Netz und wartete ab. Er kannte »die Chevreuse« inzwischen
und
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