Im Dienste Der Koenigin
ihrer Heimat Frankreich ebenfalls den Rücken zu kehren. Das hätte ja bedeutet, dass sie ihre Schwester Marie nie mehr wiedersehen würde …
Es gelang ihr, bei einer ehrbaren Pariser Handwerkerfamilie unterzutauchen, die es durch Können und Fleiß zu einigem Wohlstand gebracht hatte und die sich nun geschmeichelt fühlte, eine ehemalige Zofe der Königinmutter als Hausgehilfin zu bekommen. Marie war darüber ebenso erleichtert wie Céleste.
Sämtliche Berater der vertriebenen Maria de Medici wurden im Spätsommer 1631 als gefährliche Staatsfeinde vor Gericht gestellt. Ihnen drohten langjährige Haftstrafen oder gar der Tod. Nur wenige von ihnen begnadigte der Kardinal und verbannte sie ins Ausland.
Marie de Chevreuse war inzwischen wegen einer erneuten kleinen Kabale gegen den Kardinal wieder in ihrer alten Heimat Lothringen untergetaucht und wartete darauf, dass der Sturm sich verzog.
Anna, der sie vor ihrer Flucht noch einen kurzen Besuch abstatten konnte, machte der Freundin leise Vorwürfe.
»Weshalb konntet Ihr Euch nicht zurückhalten, Liebste?«, fragte die Königin traurig. »Jetzt bin ich erneut gezwungen, auf Eure Gegenwart zu verzichten. Was soll ich denn nur ohne Euch anfangen? Irgendwann werdet Ihr zu weit gehen und der Kardinal wird Euch unbarmherzig zur Rechenschaft ziehen.«
Marie biss sich betreten auf die Lippe.
»Ich verdiene gewiss Eure Rüge, Madame«, gab sie kleinlaut zu. »Aber Ihr solltet mir wenigstens zugute halten, dass ich es für Euch getan habe. Ich will unbedingt erreichen, dass Euer Feind, der Teufel im Kardinalsrock, von der Bildfläche verschwindet. Dafür ist mir kein Opfer zu groß. Obwohl ich es freilich aufs Äußerste bedauere, Euch, meine teuerste Freundin, für einige Zeit nicht mehr sehen zu können.«
Céleste, die sich erkundigte, weshalb Marie sich andauernd in politische Dinge einmischte, die normalerweise nicht Frauensache seien, erhielt die lakonische Antwort: »Liebes Kind, gerade wir Weiber sollten uns um Politik kümmern und diese nicht allein den Männern überlassen. Mit den Folgen haben nämlich durchaus auch wir zu leben. Schadet es denn, ein wenig über die Bettkante hinauszusehen?«
Marie zog es vor, nicht ins Familienanwesen zu ihrem verwitweten Vater zu ziehen, sondern suchte Unterschlupf bei einem jüngeren Verwandten. Obwohl es dort recht fidel zuging, vermisste sie dennoch ihren neuesten Liebhaber. Es handelte sich um einen noch blutjungen Adeligen namens François de La Rochefoucauld, der aber wegen seiner Weitsicht und Klugheit die gebildeten Kreise bereits aufhorchen ließ und in Bälde ein berühmter Denker und Schriftsteller werden sollte.
Sie starb dieses Mal beinahe vor Langeweile. Nichts sehnte sie mehr herbei, als endlich wieder in Paris leben zu dürfen. Der Zauber und die Faszination des königlichen Hofes und ihre Anhänglichkeit an Anna waren es, die sie vor Heimweh schier vergehen ließen. Darüber hinaus hatte sie erst kürzlich ihre Liebe zum Theater entdeckt. Und dann war da natürlich ihre Sehnsucht nach de La Rochefoucauld, dem gut aussehenden jungen Edelmann mit den wachen blaugrauen Augen und dem sanften Mund, der zu den schönsten Hoffnungen berechtigte …
Die Königin bekam währenddessen die Rachsucht Kardinal Richelieus erneut zu spüren. Er würde es der schönen Frau wohl niemals verzeihen, dass sie ihn einst als Liebhaber verschmäht hatte. Zu tief war seine männliche Eitelkeit durch Annas Zurückweisung verletzt worden. Er - und damit glich er seinem Herrn und König - verzieh niemals eine Kränkung.
Zum wiederholten Male wurde Annas Hofstaat durchsiebt. Jeder Mann, jede Frau, die möglicherweise Sympathien für die unglückliche Königin empfanden, wurden aus ihrer Nähe entfernt. Nur die dem Ersten Minister treu Ergebenen durften bleiben. Anna fühlte sich völlig hilflos und sah keine Möglichkeit, wie sie die für sie unerträgliche Situation ändern könnte.
Doch da hatte sie nicht mit ihrer Freundin gerechnet: Marie de Chevreuse wäre nicht die gewesen, die sie war, wenn sie nicht jede Gelegenheit genutzt hätte, Anna zu Hilfe zu kommen. Geschickt ließ sie ihre Verbindungen spielen und Monseigneur Richelieu durch einen gewieften Mittelsmann einen ganz speziellen Vorschlag unterbreiten.
Sie gab glaubwürdig vor, mit der Königin ein für alle Male gebrochen zu haben, weil Madame Anna sie angeblich schwer beleidigt habe. Und der sonst so misstrauische Kardinal, der seine Mitmenschen im
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