Im Dienste Der Koenigin
wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihm wie eine reife Frucht in den Schoß fiel. Er würde sie allerdings nicht »pflücken« - obwohl die schöne Herzogin ihm in Gedanken schon manche unruhige Nacht beschert hatte -, sondern er würde seine Befriedigung darin finden, das unverschämte Frauenzimmer zu vernichten.
Und tatsächlich: Kardinal Richelieu vermutete zu Recht, dass Marie de Chevreuse erneut ihrem Leichtsinn erliegen würde. Sie war seit einiger Zeit die Geliebte (sic!) des königlichen Siegelbewahrers, des Marquis de Châteauneuf. Ihn horchte sie über französische Staatsgeheimnisse aus, mit der Absicht, diese an Spanien zu verraten - aus dem einzigen Grund, dem verhassten Kardinal zu schaden.
Das gelang ihr auch eine Weile ganz gut, nur beging Marie den Fehler, den Marquis als Dummkopf einzuschätzen. Sie glaubte, der verliebte Narr bemerke ihre Absichten nicht, aber das war ein Irrtum. Ihr Liebhaber fühlte sich ausgenutzt und gab ihr nur unwichtige Details preis; außerdem drohte er plötzlich damit, sie an den Ersten Minister zu verraten.
Marie - zutiefst erschrocken - gelang es zum Glück, ihm dies auszureden. Durch versteckte Anspielungen gab sie dem Herrn zu verstehen, sie wüsste inzwischen so Einiges von ihm, das dem Marquis nicht gerade zur Ehre gereiche. Sie stellte ihm aber den Posten Richelieus in Aussicht, wenn er ihr wirkliche Staatsgeheimnisse verriete.
Der Unglücksrabe ließ sich tatsächlich auf den Pakt ein; aber beide flogen auf. Der königliche Siegelbewahrer landete in Angoulême im Gefängnis, während es dem Kardinal im Falle von Marie leider nur gelang, sie 1633 nach Tours zu verbannen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre sie aufs Schafott gewandert.
Aber der König empfand immer noch große Sympathien für die schöne Frau, seine einstige Geliebte, deren Charme und Witz und vor allem deren Begeisterung für das Reiten, die Jagd und für Pferderennen ihn sehr für sie einnahmen. So hielt Ludwig XIII. auch dieses Mal seine Hand schützend über Marie, was der Premierminister zähneknirschend zur Kenntnis nehmen musste.
Dass sich Marie in der Stadt Tours einsam und verlassen fühlte, das erlebte sie nicht zum ersten Mal. Aber sie durfte sich glücklich schätzen, bei einem Zweig der Familie ihres ersten Gemahls, Charles d’Albert de Luynes, Aufnahme gefunden zu haben.
Sie vertrieb sich die Zeit ihrer Verbannung mit Lesen und Sticken - einer neuen, für sie ganz ungewohnten Liebhaberei - sowie mit Ausritten zu Pferd in die nähere Umgebung von Tours. Damit ließ sich wenigstens ansatzweise ihr heftiger Groll gegen Richelieu im Zaum halten.
Niemals würde sie dem Kardinal den grauenhaften Tod ihres einstigen Liebhabers, des blutjungen Marquis de Chalais, verzeihen. Obwohl schon etliche Jahre verstrichen waren, dachte sie noch oft an den Marquis, der vielleicht, wäre er nur ein wenig älter geworden, ein geeigneter Partner für sie gewesen wäre...
KAPITEL 30
ANNA BESASS WIEDER einmal keine einzige Freundin mehr am Hof. Umgeben von Spitzeln ihres missgünstigen Gemahls und des rachsüchtigen Ersten Ministers wurde die Königin depressiv. Meist saß sie in ihrem Boudoir mit einem Buch in ihrem Schoß, aber ohne es zu lesen; sie starrte lediglich an die Tapetenmuster an der Wand - ohne diese wahrzunehmen. Sie aß kaum noch etwas und sprach fast nichts mehr, denn es war niemand mehr da, nach dessen Unterhaltung es sie verlangte. Vom Hofleben war sie nach dem Willen des Königs ohnehin so gut wie ausgeschlossen.
Selbst die regelmäßig vom Ersten Minister angeordneten nächtlichen »Besuche« ihres Gemahls zum Zwecke der Zeugung verliefen weitgehend schweigend.
Anna weinte viel und dachte mit Wehmut zurück an ihre Kindheit, an ihre fromme Mutter, eine Habsburger Prinzessin, an ihren Bruder, den spanischen König - und natürlich an Marie de Chevreuse. Deren heiteres Wesen, ihre witzigen Einfälle und sogar ihre losen Reden über die Liebe und ihre Liebhaber vermisste Anna schmerzlich.
Sie sehnte sich nach der manchmal beißenden Ironie der Herzogin, mit welcher diese den Kardinal, die katholische Kirche, die katzbuckelnden Höflinge und - allerdings mit Maßen - auch den König bedachte. Als ihr klar wurde, dass Marie diesmal nicht so rasch wieder an ihrer Seite wäre, zog sie sich in ein Kloster in der Nähe von Paris zurück. Aus der vorübergehenden »Auszeit« vom Hof wurden beinahe zwei Jahre.
Die Königin betete und meditierte in dieser Zeit
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