Im Dienste Der Koenigin
Zuchthäuser aufsuchte, um den Martern der Delinquenten persönlich beizuwohnen.
Nur auserwählten Günstlingen wurde dabei hin und wieder »die Gnade« gewährt, das Vergnügen mit Seiner Majestät zu teilen. Beinahe jedem Franzosen war auch die schreckliche Geschichte der Belagerung von Montauban bekannt.
Während Marie de Hautefort den in der kühlen Luft offensichtlich fröstelnden Kardinal musterte, erinnerte sie sich daran, was Anna einst gesagt hatte: »Ich bin mir beinahe sicher, dass der gewiss nicht zimperliche Kardinal gelegentlich große Furcht vor seinem Herrn, dem König, empfindet.«
Wie zur Bestätigung von Maries Überlegungen hob Richelieu in diesem Augenblick zu sprechen an, wobei er darauf bedacht schien, Ludwig keinesfalls zu verärgern:.
»Sire, der Attentäter hat schon alles gestanden, was es zu gestehen gab, und damit sein Leben bereits dem Henker verschrieben. Ihn nachträglich noch foltern zu lassen, würde den Unwillen des Volkes erregen, Majestät.
Das wäre nur Wasser auf die Mühlen der nicht so königstreuen Pariser sowie der unruhigen Provinz Languedoc, wo seit der von Euch befohlenen Hinrichtung des Herzogs von Montmorency immer noch keine Ruhe einkehren will.«
Gezwungenermaßen einsichtig - wenn auch höchst widerwillig, wie sein Gefolge sehen konnte - verzichtete Ludwig schließlich auf sein Vorhaben.
»Herr im Himmel«, dachte Marie de Hautefort angewidert, »wie sehr ist die Königin doch zu bedauern, dass sie mit diesem Menschen verheiratet wurde. Und dennoch wird die arme Frau ihren Gemahl stets verteidigen und nach Entschuldigungen suchen …«
KAPITEL 36
ES GING AUF Weihnachten 1637 zu und die Lage im Volk verbesserte sich nicht. Bürger und Bauern verfluchten den Kardinal - wenn auch aus anderen Gründen, als die zunehmend ihre Macht verlierenden Adeligen. Wer trug denn die Schuld daran, dass sie jedes Jahr den Gürtel noch enger schnallen mussten, weil die Steuern ständig anstiegen? Die Steuereintreiber
wagten sich ohne den Schutz von Bewaffneten kaum noch in die Dörfer. Mehr als einmal war ein Beamter des Königs von wütenden Bauern halb tot geprügelt worden.
Hunger, Elend und immer wieder Revolten beherrschten das Frankreich jener Jahre, während das Nachbarland Deutschland tiefe Narben von einem derzeit beinahe zwei Jahrzehnte andauernden Krieg davontrug.
»Die Bürger in den Städten, vor allem in Paris, hassen den Kardinal mehr als alles andere auf dieser Welt. Vor Tagen erst haben Handwerker und Tagelöhner mitten in der Hauptstadt große Strohballen aufgehäuft und darauf lebensgroße Puppen, angezogen mit roten Gewandfetzen, unter gehässigem Geschrei verbrannt«, berichtete Marie de Hautefort ihrer Herrin.
Vor einigen Tagen war sie ins Kloster Val de Grâce zurückgekehrt. Der König hatte es ihr huldvoll gestattet. In einigen Tagen wurde das Weihnachtsfest gefeiert und die Königin samt ihrem Hofstaat würde ohnehin nach Paris reisen.
»›Nieder mit dem Blutsauger!‹, ›Tod dem Kardinal!‹, ›Nieder mit Richelieu!‹, hat die Menge dazu gebrüllt, ist um die lichterloh brennenden Haufen herumgetanzt und hat damit gedroht, den ›purpurroten Teufel‹ zu ermorden und sein Palais mitten in Paris in Schutt und Asche zu legen. Die prekäre Situation konnte erst nach geraumer Zeit und durch ein gewaltiges Aufgebot an Musketieren entschärft werden, Madame«, fuhr Marie in ihrer Berichterstattung fort.
Anna seufzte schwer. »Der Erste Minister ist gewiss ein sehr kluger Mann, aber es gelingt ihm nicht, die Herzen der Menschen zu gewinnen.«
»Weil er sie fühlen lässt, dass sie ihm im Grunde vollkommen gleichgültig sind, Madame.« Marie konnte sich einer gewissen Leidenschaftlichkeit in ihrer Rede nicht erwehren.
»So jung Ihr auch sein mögt, meine Liebe, so besitzt Ihr doch ein untrügliches Gefühl für die Empfindungen Eurer Mitmenschen. Ein Grund für Richelieus Verhalten könnte sein Hochmut sein, der ihn annehmen lässt, er habe alles im Griff und ihm drohe keine wirkliche Gefahr. Und bisher hat sich sein Glaube an seine Unverwundbarkeit ja bewahrheitet.
Aber nun, Marie, berichtet mir von angenehmeren Dingen - so es denn welche geben sollte«, verlangte die Königin.
Das Weihnachtsfest ging ereignislos vorüber. Dass der König seiner Gemahlin nur in knappen Worten ein gesegnetes Christfest wünschte und sie kaum dabei ansah, das war sie schon gewohnt. Dem Wunsch der Königin, ihre Herzensfreundin, die Herzogin de Chevreuse, zu
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