Im Dreieck des Drachen
verlassen.«
»Vermutlich.«
Robert kletterte über die Leiter vom unteren Deck zur Kombüse hinauf. »Bist du bald fertig? Dein Essen riecht man bis runter zur Bilge.«
Charlie winkte ihn mit einem übertrieben finsteren Ausdruck zurück. »Deine Nase könnte einen Schinken jenseits des Horizonts riechen.« Es war ein stehender Witz. Der junge Meeresbiologe hatte einen äußerst bemerkenswerten Metabolismus. Er nahm Tag für Tag das Vierfache seines Körpergewichts zu sich und blieb dennoch so dürr wie eine Zaunlatte.
»Also ist es fertig?«, fragte Robert und beäugte hungrig den Herd.
»Fast.«
Robert warf Lisa, die neben Jacks Hund kniete, einen Blick zu. »Stimmt was nicht mit Elvis?«
Charlie zuckte die Achseln. »Wir glauben, er vermisst den Chef.«
»Er hat mir den ganzen Tag über zugesetzt und mich erst in Ruhe gelassen, als ich mich im Frachtraum versteckt habe.«
Lisa stand auf. »Er hat uns alle bedrängt … und ich glaube nicht, dass es wegen Jack ist. Da muss mehr dran sein.«
Als hätte er sie verstanden, bellte Elvis auf und wedelte mit dem Schwanz. Er drückte sich durch die Kombüsentür, blieb dann stehen und sah sich nach ihnen um.
»Was ist denn los?«, fragte Lisa. Sie trat auf Elvis zu, und der Hund lief einige Schritte weiter weg und hielt dann erneut inne. »Er will was.«
Charlie verdrehte die Augen. »Vielleicht steckt Timmy unten in einem Schacht fest.«
Die drei folgten dem Hund. Als wäre ihm klar geworden, dass man seine Botschaft verstanden hatte, führte Elvis die Gruppe rasch die Treppe zur Brücke hinauf.
»Wohin geht er?«, fragte Robert.
Elvis kratzte an der Tür. Lisa öffnete sie ihm, und der Hund schoss auf die kleine Tür zum Funkraum zu.
Stirnrunzelnd warf Lisa den anderen einen Blick zu und öffnete dann.
»Muss hinter einer Ratte her sein«, meinte Charlie. »Als Welpe hat er sie immer gejagt. Besser als jede Katze.«
In dem kleinen Raum drückte Elvis die Nase gegen eine Schublade unten am Boden. Lisa zog sie auf. Charlie hockte sich neben sie. Die Lade quoll über von Faxpapier und alten Rezepten.
»Ich sehe nichts«, sagte Lisa.
»Vielleicht sollst du Jack ein Fax schicken«, witzelte Robert.
Elvis schob sich zwischen Charlie und Lisa, kratzte an der Schublade und jaulte tief aus der Kehle. Dabei wurde sein Kratzen immer heftiger.
»Na gut, mein Alter. Dann will ich dir helfen.« Charlie schob den Hund mit der Schulter beiseite, zog die Lade heraus und setzte sie auf dem Boden ab.
Doch Elvis ignorierte die Schublade und hielt die Nase auf den leeren Raum innerhalb des Schranks gerichtet. Charlie ging auf alle viere und spähte hinein, doch da war es zu dunkel. »Reicht mir mal ’ne Taschenlampe.«
Robert nahm eine von der Brücke und warf sie Lisa zu, die sie an Charlie weitergab.
Der drückte die Wange fest ans Deck und leuchtete in den dunklen Raum. »Wenn hier eine Ratte drin ist …«, warnte er. Dann spiegelte sich der Lichtschein an etwas, das im toten Winkel unterhalb der Stahlschienen der Schublade lag. »Oh, Scheiße …«
»Was ist da?«, fragte Lisa.
Charlie fluchte unterdrückt, beugte sich näher heran und ließ den Lichtstrahl über die Ansammlung von Elektronikteilen laufen, die über einem Nest aus winzigen grauen Würfeln ruhten. Rote LED -Lichter blinkten ihn an. »Ich glaube, ich habe Elvis’ Ratte gefunden.«
19.50 Uhr
In den Ruinen vor der Küste von Yonaguni
In einem dachlosen Gebäude inmitten der Chatan-Ruinen legten sie eine Pause ein, und Karen trank einen Schluck aus ihrer Wasserflasche. »Geschichten eines verschollenen Kontinents im Gebiet des Pazifiks sind nicht bloß auf die Inseln beschränkt«, fuhr sie fort, während sie ihre Wasserflasche in ihren Rucksack zurückgleiten ließ. »Uralte Erzählungen aus der Zeit der Streitenden Reiche beschreiben eine riesige Landmasse im Pazifik namens Peng Jia. Dort hat es angeblich ein Volk gegeben, das fliegen konnte und ewig gelebt hat.«
»Ah ja«, antwortete ihr Begleiter.
Karen sah zu Jack hinüber, der sich aus einem der Fenster gelehnt hatte. Er tunkte sein Taschentuch in das kalte Meerwasser, setzte sich dann aufs Fensterbrett und legte sich das nasse Tuch übers Gesicht. Sie waren den ganzen Tag über in diesen Ruinen umhergeklettert, waren von einem Ort zum nächsten gegangen und hatten nur für ein kaltes Mahl aus Brot und Käse eine Pause eingelegt. Bislang hatte sich ihre Suche als fruchtlos erwiesen. Sie hatten ein paar von Muscheln verkrusteter
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