Im Dreieck des Drachen
nickte, da sie ihn nicht beleidigen wollte, ließ den Rucksack fallen und kniete nieder. Mwahu zeigte auf den Stein.
Sie sah vor sich hin, da sie nicht genau wusste, ob sie sich verneigen, ein Gebet sprechen oder sonstwie ihre Ehrerbietung zeigen sollte. Als sie jedoch die Stelle, auf die Mwahu zeigte, näher in Augenschein nahm, erhielt sie ihre Antwort. »Heilige Scheiße!«
»Was ist?«, fragte Jack. Miyuki stellte sich an ihre andere Seite.
»Seht selbst.« Karen erhob sich, wandte sich wieder dem Stein zu und fuhr mit der Handfläche darüber. Es war keine optische Täuschung. »Kein Wunder, dass ihr es nicht gesehen habt. Man erkennt es nur kniend.«
»Erkennt was?«
Sie zupfte Jack am Arm, damit er sich bückte und über die Oberfläche des Steins blickte, und zog eine Spur mit dem Finger. »Da.«
Jack fiel die Kinnlade herunter. »Ein Stern!«
»So flach eingeritzt oder einfach von der Zeit so abgetragen, dass er nur aus einem ganz bestimmten Winkel zu erkennen ist.«
Er richtete sich auf. »Aber was hat er zu bedeuten?«
Miyuki warf gleichfalls einen Blick darauf und erwiderte dann unter ihrem Schirm hervor: »Ist wie in der Pyramide. Wir brauchen den Kristall.«
Karen nickte und öffnete ihren Rucksack.
Jack wirkte nach wie vor verwirrt. »Wovon redet ihr eigentlich?«
Karen hatte ihm nämlich noch nicht berichtet, wozu sie den Kristallstern benutzt hatten. Jetzt zog sie eine schwarze Stofftasche hervor und schüttelte ihn heraus. Mwahu hinter ihr keuchte ehrfürchtig auf. Sie trat zu dem Stein. Die anderen scharten sich um sie, als sie das Artefakt vorsichtig auf die flache Gravur setzte. Es passte genau. Sie hielt den Atem an, da sie nicht wusste, was sie zu erwarten hatten. Doch es geschah nichts.
Enttäuscht trat Karen zurück. »Der Kristallstern muss wie ein Schlüssel funktionieren. Aber wie?«
Miyuki beugte sich über den Stein und erwiderte: »Denk doch mal daran zurück, wie das in der Pyramide war – Dunkelheit war letztlich der Schlüssel.«
Karen nickte langsam. Der Stern war erst zum Schlüssel geworden und hatte sie aus der Chatanpyramide hinausgelassen, als ihn absolute Dunkelheit umgeben hatte.
»Was tun wir also?«, fragte Jack. »Bis zum Einbruch der Nacht warten?«
Miyuki schien dieser Vorschlag nicht im Geringsten zu gefallen.
»Ich weiß nicht …« Karen musterte den Stein. Etwas stimmte einfach nicht. Dann ging es ihr auf. Ihr fielen die Symmetrie und das ausgewogene Verhältnis der beiden Chatanpyramiden wieder ein. Das Yin und Yang. »Natürlich!«
»Wie bitte?« Jack trat neben sie.
»Wir brauchen keine Dunkelheit!« Sie winkte Miyuki vom Stein weg. Der Schirm ihrer Freundin hatte einen Schatten über den Kristall geworfen. Jetzt wurde er in gleißendem Sonnenlicht gebadet und leuchtete strahlend hell. »Sondern Licht !«
Ein lautes Knacken ertönte. Die anderen traten einige Schritte zurück, doch Karen blieb stur auf der Stelle stehen.
Schließlich zeigte sich ein verborgener Schlitz in dem festen Block. Es sah so aus, als würde ein zehn Zentimeter hoher Deckel darauf liegen.
Karen trat heran.
»Vorsicht!«, warnte Jack.
Sie berührte den Deckel und drückte. Die Basaltplatte ließ sich so leicht verschieben, als bestünde sie aus Styropor. »Die ist leicht wie eine Feder.«
Jack, dessen Blick auf den Kristallstern gerichtet war, trat neben sie und beschattete ihn mit der Hand. »Versuch’s jetzt mal.«
Sie tat es. Der Deckel rührte sich nicht.
Jack zog die Hand zurück und setzte den Kristall erneut dem Sonnenlicht aus. Mit einem Finger schob er die Steinplatte zur Seite. »Der Stern hat seine Eigenschaft, das Gewicht verändern zu können, irgendwie auf den Basalt übertragen.«
Karen war verblüfft. »Erstaunlich. So müssen die alten Magier in der Vergangenheit die Steine bewegt haben.«
»Mir kommt das verdammt magisch vor, das kann ich dir flüstern.«
Miyuki zeigte ins Innere des Blocks.
Karen beugte sich darüber, als Jack den steinernen Deckel weiter zurückschob.
In den Altar war eine Nische geschnitten, umrahmt von einem glänzenden Metall. Karen berührte es. »Platin.«
Jack nickte. »Wie in deiner Geschichte. Die Platinsarkophage, die die japanischen Taucher während des Zweiten Weltkriegs unter Wasser entdeckt haben.«
Karen nickte. »Aber dieser Sarkophag ist nicht leer.«
Im Flüsterton sagte Mwahu neben ihr: »Horon-ko.«
Sie musterte die Überreste. An den Knochen klebten noch ein paar Fetzen staubigen Tuchs, doch was
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