Im Dreieck des Drachen
ihren Blick am meisten auf sich lenkte, war ein in Platin gebundenes Buch, das die knochigen Hände des Sarginhabers umklammerten.
Vorsichtig griff sie hinein.
»Nein!«, rief Mwahu.
Karen konnte der Versuchung nicht widerstehen, ergriff das Buch und hob es hoch.
Was zur Folge hatte, dass die Fingerknochen zu Staub zerfielen. Und ein Dominoeffekt einsetzte. Der Brustkorb brach zusammen, die Oberschenkel und das Becken lösten sich auf, der Schädel folgte. Bald war die Gestalt nicht mehr zu erkennen.
»Asche zu Asche«, murmelte Jack.
Verblüfft über ihre gedankenlose Tat der Entweihung hielt Karen das Platinbuch in Händen.
Mwahu hinter ihr brach in Tränen aus. »Dem Untergang geweiht«, stöhnte er.
Wie aufs Stichwort traf die erste Kugel den Basaltaltar, und eine Gischt aus Felssplittern prasselte Karen ins Gesicht.
18.45 Uhr
USS Gibraltar, Philippinisches Meer
Admiral Mark Houston stieg die fünf Ebenen zur Brücke der USS Gibraltar hinauf. Sie machten volle Fahrt, kamen von Guam, wo sie vor zwei Tagen das zivile NTSB -Team zusammen mit den in Kisten verpackten Wrackteilen von Air Force One ausgeladen hatten. Dort hatte die Gibraltar auch wieder ihre übliche Zahl von Flugmaschinen an Bord genommen – zweiundvierzig Helikopter, sowohl Sea Knights als auch Cobras, sowie fünf Harrier-II-Jagdbomber –, dazu die übliche Anzahl an LCAC -Amphibienfahrzeugen. Damit würden die Abteilungen der Marines sicher auf Okinawa landen und die dortigen Streitkräfte bei der Verteidigung der Insel unterstützen können.
Von Stunde zu Stunde verschlimmerten sich die Berichte aus der Region. Offensichtlich waren die See- und Streitkräfte der Chinesen gnadenlos in ihrer Entschlossenheit, Taiwan nicht aufzugeben.
Als er eine durch ein Zahlenschloss gesicherte Luke durchschritt, schüttelte Houston den Kopf. Was für ein Blödsinn! Sollen die Chinesen doch die verdammte Insel behalten! Er hatte die Spionageberichte von der zwischen den Regierungsoberhäuptern in Taipei und Peking geschlossenen Vereinbarung gelesen. So sehr unterschied sie sich gar nicht vom Abkommen über die Übernahme der Oberhoheit von Hongkong und Macau. Alles würde weiterlaufen wie bisher. Wie in Hongkong hatten die Chinesen kein Interesse daran, die ökonomischen Grundlagen Taiwans zu schwächen.
Dennoch verstand er die Position der Regierung. Präsident Bishop war ermordet worden. Ob die höchsten Kreise Pekings nun von der Verschwörung gewusst hatten oder nicht, das Verbrechen durfte nicht ungesühnt bleiben.
Nachdem er von dem eskalierenden Konflikt erfahren hatte, hatte Houston angeboten, an Bord zu bleiben und zur belagerten Front mitzufahren. Dort draußen waren kühlere Köpfe vonnöten. Er sollte die Lage einschätzen und seine Empfehlungen an die Joint Chiefs of Staff schicken.
Er erklomm die letzte Leiter, wobei seine Knie protestierten, und betrat die Brücke der Gibraltar. Navigation, Kartentisch und Funkstation waren bemannt, und die Leute dort waren eifrig an der Arbeit.
»Admiral auf der Brücke!«, rief ein Lieutenant zur See.
Aller Augen wandten sich in seine Richtung. Er winkte ihnen weiterzuarbeiten. Ein erschöpfter Captain Brenning trat langsam aus seiner Tageskabine auf die Brücke. Er sah aus, als hätte er in den letzten drei Tagen kaum eine Stunde geschlafen. »Sir, was kann ich für Sie tun?«
»Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie störe. Bin bloß raufgekommen, um die Beine etwas zu strecken. Wie läuft’s?«
»Gut, Sir. Wir sind sechsunddreißig Stunden entfernt und bereit.«
»Sehr gut.«
Der Kommandant nickte heckwärts. »Sir, der Kommandant der Marines ist drüben und überwacht die Ausschiffung. Ich kann ihm Bescheid geben lassen, dass Sie hier sind.«
»Nicht nötig.« Houston starrte durch die grün getönten Scheiben der Brücke. Tropfen schlugen gegen das Glas. Den ganzen Tag über war ein dünner Regen gefallen und ein nebeliger Dunst verwehrte den Blick auf den Horizont. Da er seit heute früh in seiner Kabine gehockt und mit Washington konferiert hatte, war er eigentlich heraufgekommen, um die Sonne zu sehen. Er hatte geglaubt, ein Aufstieg zur Brücke würde ihm guttun, ihn etwas aufheitern. Doch stattdessen spürte er, wie die Last auf seiner Brust noch schwerer wurde. Wie viele Männer würden in den kommenden Tagen sterben?
Ein Lieutenant an der Funkstation zog sich die Kopfhörer ab und wandte sich an seinen Captain. »Sir, ich habe einen verschlüsselten Anruf aus dem Pentagon. Sie
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