Im Dunkel der Nacht (German Edition)
brannte in ihrem Vater. Etwas Hartes, Übles und Gemeines.
Als Achtjährige hatte sie das noch nicht verstanden. Sie hatte furchtbare Angst gehabt, dass ihr Vater als Nächstes ihre Mutter wegschicken würde und dass sie das einzige verbleibende Ziel seines Zorns wäre. Die Scham darüber erregte einen leichten Brechreiz in ihrem Rachen. Ihre Mutter war ein menschliches Schild für sie gewesen; konnte ihr irgendjemand vorwerfen, das Leid im Alkohol ertränkt zu haben?
Anfänglich war es Wein. Dann hatte Celeste Wodka entdeckt, der nicht annähernd so geruchlos war, wie die Leute behaupteten. Mit dreizehn konnte Veronica anhand des Geruchs sagen, ob ihre Mutter durch die Bars gezogen war, wenn sie nach Hause kam.
Letztlich brachte der Alkohol Celeste um – und vermutlich auch Max. Wenn sie nicht getrunken hätte, hätte sich ihre Mutter vielleicht um Max gekümmert. Vielleicht wäre es noch nicht zu spät gewesen. Vielleicht hätten sie ihn noch gefunden, ehe er bis zur Unkenntlichkeit entstellt in einer Baugrube gelandet wäre.
Vielleicht hätte er Veronica gesagt, dass alles wieder gut sei, dass er ihr für nichts die Schuld gab.
Schließlich legte sie den Kopf auf den Tisch und weinte.
Es war schon deutlich nach Einbruch der Dunkelheit, als Zach und Frank das Haus von Veronicas Vater erreichten. Die Außenbeleuchtung war bereits abgeschaltet, doch innen brannte Licht, und das blaue Flackern eines Fernsehers war zu sehen. Der Rasen war voller Laub, doch Zach gefiel der Geruch der Blätter und das Knirschen unter seinen Füßen.
Frank stieß sie dagegen zur Seite und ging die Treppe nach oben, um zu läuten. Er spielte mit dem Kleingeld in seiner Tasche und sah zu Zach hinüber, während sie warteten. »Der braucht ganz schön lange.«
»Er erwartet uns ja nicht gerade«, stellte Zach fest.
Sie hatten sich nicht im Vorfeld angekündigt, weil sie Osbornes Reaktion auf den Tod seines Stiefsohns aus unmittelbarer Nähe sehen wollten.
Frank läutete ein zweites Mal. Diesmal hörte Zach Schritte, die sich der Tür näherten.
Die Außenbeleuchtung ging an, und die Tür öffnete sich. Laut seinem Führerschein war George Osborne Ende Fünfzig. Er war nicht gerade in Würde gealtert. Er hatte zwar noch volles Haupthaar, das grau meliert war, doch gewaschen sah es nicht aus. Sein Gesicht war eingefallen und zerfurcht, und zwischen seinen Fingern baumelte eine glühende Zigarette. Das T-Shirt, das er trug, spannte um die Fülle seines Bauchs, und selbst im Halbdunkel der Türschwelle konnte Zach die Venen erkennen, die sich wie ein Spinnennetz über Osbornes Gesicht erstreckten. Das hatte vielleicht mit der Bierflasche zu tun, die in seiner Hand schaukelte. Nicht gerade ein Aushängeschild für gesunde Lebensweise. Vielmehr ein furchtbar abschreckendes als ein leuchtendes Beispiel.
»Was wollen Sie?« Osborne lehnte am Türrahmen und blickte von Zach zu Frank.
»Wir würden uns gerne einen Moment mit Ihnen unterhalten, Mr Osborne.« Zach zeigte ihm seine Marke. »Dürfen wir hereinkommen?«
Osborne bewegt sich nicht. »Nicht ohne Haftbefehl.« Er schnaubte leicht, als ob die Situation komisch wäre.
Frank trat auf die oberste Stufe, sodass er direkt vor Osborne stand. »Haben Sie was zu verbergen?«
Osborne bewegte nicht einen Muskel. »Vielleicht habe ich das. Vielleicht auch nicht. In jedem Fall kommen Sie nicht rein.« Er drehte seinen Kopf zur Seite und spuckte ins Gebüsch.
»Es geht um Ihren Stiefsohn«, sagte Zach.
Osborne wirkte für einen Moment verwirrt. »Meinen was?«
»Ihren Stiefsohn«, wiederholte Zach. »Max Shelden.«
Osborne zog die Augenbrauen leicht nach oben und richtete sich auf. »Ich habe von dem Jungen seit mindestens zwanzig Jahren nichts gehört. Ich habe nichts mit ihm zu schaffen.«
Er ging zurück ins Haus und wollte die Tür schließen.
Frank schob seinen Fuß in den Spalt. »Das liegt daran, dass er etwa genauso lange tot ist.«
Osborne erstarrte für einen Augenblick und sagte dann: »Das würde es erklären.«
»Können wir reinkommen und uns darüber unterhalten?«, fragte Zach erneut und trat hinter Frank.
Osborne sah Zach mit schmalen Augen an. »Ich sehe noch immer keinen Haftbefehl.«
»Wollen Sie wirklich, dass wir mit einem zurückkommen?« Zach verschärfte den Ton. Er hatte genug von diesem Dreck.
Osborne war ein harter Bursche – das hatte er verstanden. Aber wenn es jetzt darum ging, die Hosen herunterzulassen und das Lineal anzusetzen, war Zach
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