Im Dunkel der Nacht (German Edition)
eindeutig im Vorteil, denn er hatte die Dienstmarke und die Waffe. Er wusste es. Frank wusste es, und Osborne wusste es ganz offensichtlich auch, denn er beschloss nachzugeben. Der klassische Schläger. Zach wettete, dass sich Osborne nur mit Leuten anlegte, die er glaubte besiegen zu können. Leute, die kleiner und schwächer waren. Leute, die angesichts einer Auseinandersetzung auswichen oder sich an Gesetze und Konventionen hielten. Zach hatte Männer wie Osborne schon oft gesehen. Er mochte es nicht, ihre Spielchen zu spielen, und er mochte sie nicht.
»Ist ja schon gut. Kein Grund, eine Staatsaffäre daraus zu machen.« Osborne entfernte sich von der Tür und ging ins Innere. Zach und Frank folgten ihm.
Er lebte nicht schlecht. Ein bisschen beengt, aber wo war das in Kalifornien nicht der Fall? Das Haus war nicht viel anders als jenes, in dem Zach aufgewachsen war. Osborne ging zielgerichtet ins Wohnzimmer. Dahinter konnte Zach das Esszimmer und die Küche ausmachen. Er nahm an, dass dort der dezente Geruch von Müll herkam.
Das Haus war nicht blitzsauber, aber auch nicht verkommen. Am Boden neben einem durchgesessenen Lehnstuhl lagen einige Zeitungen. Auf dem Tischchen daneben stand ein Teller. Doch das Geschirr stapelte sich nicht.
»Der kleine Scheißer war also die ganze Zeit tot?« Osborne ließ sich in den Sessel sinken, der direkt vor dem Fernseher stand. Er dachte nicht daran, diesen auszuschalten. Es lief ein Spiel der Kings.
»Wo dachten Sie denn, dass er sich aufhalten würde?«, fragte Frank.
Osborne zuckte mit den Schultern. »Der Junge wurde einen Monat, nachdem er weggelaufen war, achtzehn. Er lag nicht mehr in meiner Verantwortung. Die Frau weinte ab und zu um ihn, hauptsächlich an seinem Geburtstag, aber das war es auch. Die Wahrheit ist, dass es ohne ihn hier wesentlich friedlicher zuging.« Er wandte sich wieder dem Spiel zu.
Zach knirschte mit den Zähnen. »Wann haben Sie Max zum letzten Mal gesehen?«
Osborne sah ihn an und blinzelte einige Male langsam, fast so, als hätte er vergessen, dass sie hier waren. Vielleicht war der Mann betrunkener, als er aussah. »Sie erwarten ernsthaft, dass ich mich an etwas erinnere, das vor zwanzig Jahren passiert ist?« Er wandte sich wieder dem Fernseher zu, so als wäre die Frage es nicht wert, weiter darüber nachzudenken.
»Ja, das tue ich. Es war das letzte Mal, dass Sie Ihren Sohn gesehen haben. Das sollte in Ihrem Gedächtnis geblieben sein.« Zach hielt seine Stimme ruhig, was ihn einige Anstrengung kostete.
»Stiefsohn«, korrigierte Osborne. »Er war nicht von mir.«
»Sie haben seine Mutter geheiratet. Damit waren Sie für ihn verantwortlich«, schoss Zach zurück.
Osborne stand auf. Es sollte eine aggressive Bewegung sein, doch sein schwankendes Gleichgewicht ließ ihn mehr erbärmlich als furchteinflößend erscheinen. »Ich bin meiner Verantwortung nachgekommen. Ich habe dem Gör ein Dach über dem Kopf gegeben. Ich habe Essen auf den Tisch gebracht. Und was bekam ich zum Dank? Einen straffälligen Jugendlichen, der Drogen ins Haus schleppt, wo sie mein kleines Mädchen hätte finden können. Sie wollen wissen, wann ich ihn zuletzt gesehen habe? Es war, als sie kamen und ihn in diese Schule brachten. Danach ist er mir nie wieder unter die Augen gekommen, was mir auch sehr recht war.«
Frank sah mit schmalen Augen zu Zach hinüber. »Welche Art von Drogen?«
Osborne setzte sich wieder hin und winkte ab, als wäre die Frage irrelevant. »Marihuana. In einer Tüte mit einer Pfeife und einigen Streichhölzern.«
»Sie haben ihn in der Sierra School für Jungen also nie besucht?«
»Nein. Die Frau war einmal dort. Sie kam weinend und kreischend zurück. Danach ließ ich sie nicht mehr dorthin.«
Osborne widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Spiel. Der Vorsprung der Kings war auf sechs Punkte geschrumpft. Typisch.
»Wie lange war er dort?«, fragte Frank.
Osborne zuckte mit den Schultern. »Ein Jahr. Vielleicht etwas länger. Warum ist das wichtig?«
»Wir wollen hier ein Zeitfenster abstecken«, sagte Zach. »Ihre Tochter hat angedeutet, dass Max aus der Sierra School weggelaufen ist.«
Osborne sah ihn scharf an. »Meine Tochter? Sie haben mit Ronnie gesprochen?«
»Wenn Sie Veronica Osborne meinen, dann ja. Sie war nach Ihrer Frau die nächste Angehörige.«
»Was hat sie gesagt?« Osborne war regungslos.
»Nicht viel. Sie schien sehr schockiert.« Und traurig und ein wenig ängstlich. Abgesehen von dem kleinen Moment
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