Im Dunkel der Nacht (German Edition)
Mann. Das hörte sich nun überhaupt nicht spaßig an. »Was ist mit dem Fünfjährigen, seinem Asthma und dem Natasha-Richardson-Fall passiert?«
»Der Kleine bekam sein Asthmaspray und wurde dann mit einem Inhalator nach Hause geschickt. Natasha hat beschlossen, dass ihr Kopf doch nicht mehr sonderlich wehtut, und ist gegangen. Sie hat einem der Stühle im Wartezimmer einen ziemlichen Tritt verpasst, als sie gegangen ist. Erzählt zumindest Linnea. Ich glaube, sie hat noch unseren Ruf als tugendhafte Damen und den einiger Mütter angezweifelt.«
Alles in allem eine typische Nacht im Paradies Notaufnahme. Veronica sah auf ihre Armbanduhr. »Zeit für meine Pause.« Sofern möglich war es immer Zeit für ihre Pause, wenn ein Achtzigjähriger mit Verstopfung auch nur im Umkreis von einer Meile auftauchte.
»Für meine auch.« Tina lächelte sie an. »Schere, Stein, Papier?«
»Meinst du das ernst? Du willst um den Patienten spielen?« Veronica schüttelte den Kopf, obwohl sie bereits schlimmere Methoden gesehen hatte, um darüber zu entscheiden, wer sich eines ungeliebten Patienten annehmen musste.
»Wir könnten eine Münze werfen.« Tina grinste breit.
»Vergiss es. Genieß deine Pause. Ich spüle den Achtzigjährigen durch.«
»Viel Vergnügen.« Tina zeigte ihr eine lange Nase und ging dann in Richtung Pausenraum. Dort blieb sie stehen und drehte sich um. »Kam dir die Verstorbene bekannt vor?«
Veronica kramte in ihrem Gedächtnis. Sie musste zugeben, dass sie nicht einmal mehr genau wusste, wie die Frau aussah. Sie war zu beschäftigt damit gewesen, eine Infusion bereitzustellen, damit sie die Frau ansehen konnte, wenn ihr Herz wieder schlug. »Ich glaube nicht. Kennst du sie?«
»Ich bin mir nicht sicher.« Tina kaute auf ihrer Unterlippe. »Ich hatte das Gefühl, sie schon mal irgendwo gesehen zu haben. Und sie kam dir bestimmt nicht bekannt vor?«
»Ich werfe später mal einen Blick in ihr Krankenblatt und werde sehen, ob ich dahinterkomme.«
Wenn Tina sagte, sie käme ihr bekannt vor, dann war dies auch sehr wahrscheinlich. Die Frage war nur, welchen Unterschied es machen würde? Egal wer sie in ihrem Leben war, jetzt hatte sie das Zeitliche gesegnet.
*
Matt Cassell stand neben seinem Einsatzfahrzeug im Zufahrtsbereich der Notaufnahme und zwang sich zum Atmen. Als er nach Sacramento gezogen war, hatte er gedacht, sich ein weiteres Stück von seiner Vergangenheit zu entfernen. Heute Nacht aber war er mit dem Gesicht voran wieder darin gelandet.
»Alles klar bei dir?« Matts Kollege, Jason, reckte den Kopf aus dem Krankenwagen.
»Absolut. Alles bestens«, antwortete Matt.
»Warum kommst du dann nicht rein und hilfst mir hier beim Saubermachen?« Jasons Kopf mit der stacheligen Kurzhaarfrisur verschwand wieder im Wagen.
Matt stieg hinein und hob einige der Dinge auf, die beim Versuch, Susan Tennant wiederzubeleben, gelitten hatten.
Er hatte es versucht, nicht wahr? Er ging noch einmal alles durch, was er getan hatte. Konnte ihm irgendjemand etwas vorwerfen? Konnte jemand behaupten, er hatte sie sterben lassen? Dass er in Anbetracht ihres Erstickungstodes keinerlei Mitgefühl oder Bedauern empfunden hatte?
Nein. Er war sich sicher, dass er alles versucht hatte.
Von der Sekunde an, als er und Jason das Haus betraten, hatte er alles getan, was von ihm zu erwarten war.
Es war allerdings ein ziemlicher Schock gewesen. Er hatte Susan Tennant zwanzig Jahre lang nicht gesehen, und sie war definitiv nicht diejenige gewesen, die ihrem letzten Treffen zurückhaltend gegenüberstand. Offenbar wusste noch jemand in der Stadt davon, wie sie die Kinder in der Sierra School behandelt hatte.
»Du bist so still«, stellte Jason fest.
Matt blickte auf. Er wollte nicht, dass an dieser Nacht etwas Verdächtiges haften blieb. »Ich habe nur an die beiden Schwestern gedacht, die ich gerade getroffen habe. Beide etwa Ende zwanzig. Eine war südländisch, die andere mit kurzen roten Haaren.«
Jason lachte. »Oh, du hast eine Runde Tina und Veronica live erwischt. Sei vorsichtig, Kumpel, du wärst nicht der Erste, der sich an ihnen die Finger verbrennt.«
»Tatsächlich?« Interessant.
»Oh ja. Das sind zwei Kratzbürsten. Allerdings sollen sie die Mühe wert sein, wie ich gehört habe.«
Während Jason weiterredete, versuchte Matt herauszufinden, was er wegen Susan Tennant tun sollte.
7
Zach saß über der Vermisstenanzeige, die Janice Lam ihm gefaxt hatte. Sie war nicht gerade umfangreich. Der Junge war
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