Im Dunkel der Nacht (German Edition)
mehr zu, aber sie wusste, dass Tina ihr eigenes Leben zu leben hatte. »Nicht nötig.«
»Und warum hast du mich nicht angerufen?« Tina bewegte sich keinen Zentimeter und ignorierte ihren Piepser, der sich meldete.
»Was hättest du tun wollen? Niemand kann im Moment etwas tun. Er ist tot. Und er bleibt tot.«
»Meine Güte, vielleicht hätte ich wenigstens etwas von dem Kram machen können, mit dem sich beste Freundinnen profilieren? Mich nach dir umsehen, uns einen Tee machen?« Tinas Arme bleiben verschränkt. »Vielleicht hätte ich dich sogar in den Arm genommen.« Tina stammte wirklich nicht aus der süßen, mütterlichen Pflegeschule. Sie sprach aus, was sie dachte.
Vielleicht hatte sie recht, und sie hätte sie anrufen sollen, doch dann würde sie jetzt nicht mit Bankauszügen in ihrer Tasche herumlaufen. Bankauszüge, bei denen sie das Gefühl hatte, sie würden jede Sekunde explodieren.
Sie würde jetzt nach Hause gehen, etwas schlafen und dann alle Unterlagen auf das Polizeirevier bringen. Das klang am vernünftigsten.
»Aber jetzt hast du Pech gehabt. Ich werde sich vermutlich bis zu deiner Hochzeit nicht mehr umarmen.« Tina seufzte und senkte die Arme.
Veronica lächelte sie reumütig an. »Das könnte aber noch verdammt lange dauern, wenn man bedenkt, wie wenige Verabredungen in meinem Kalender stehen.«
»Vielleicht hat sich gerade eine angekündigt«, sagte Tina und blickte über Veronicas Schulter.
Zach McKnight betrat die Notaufnahme und sah aus, als hätte er ebenso wenig geschlafen wie Veronica.
Sie saß hinter der Schwesternstation, eine Kollegin stand breitbeinig und mit verschränkten Armen vor ihr, so als würde sie ihr Vorhaltungen machen. Veronica hatte eine ergebene Position eingenommen und nickte. Die Kollegin erblickte ihn zuerst. Es war die gleiche Krankenschwester, mit der Veronica schon Dienst hatte, als er ihr Max’ Foto zurückgebracht hatte. Ihr Name fing mit T an. Terry? Nein. Tina. Sie drehten sich beide um und starrten ihn an, als er sich dem Tresen näherte.
»Es ist schon sehr spät«, sagte Tina. »Sie sind doch nicht mehr im Dienst, Sergeant?«
»Eigentlich nicht.«
»Aber irgendwie ist man immer im Dienst, nicht wahr?« Tina lächelte ihn an.
Zach erwiderte das Lächeln. »Ich schätze, Ihnen geht es ähnlich.«
Sie nickte. »Oh, ja. Wenn das Kind am Ende der Straße vom Fahrrad fällt, ruft man mich. Schlägt das Herz von jemandem zu schnell oder zu langsam, bitten mich die Angehörigen um Rat. So wird es nie langweilig.«
»Das stimmt.« Zach wandte sich Veronica zu. »Haben Sie ein paar Minuten?«
»Und ob sie die hat. Ich schicke sie nämlich gerade nach Hause. Sie hätte überhaupt nicht kommen sollen«, gab Tina zurück.
Veronica lächelte ihre Freundin an. »Willst du vielleicht auch mitkommen und die eine oder andere Frage beantworten, die Sergeant McKnight mir stellen wird?«
»Führ’ mich nicht in Versuchung. Vielleicht mache ich es wirklich«, sagte Tina. Ihr Piepser meldete sich, und sie sah auf das Display. »Ich muss los. Verschwinde hier, Veronica. Ich meine es ernst.« Dann ging sie.
Eine merkwürdige Stille machte sich breit, und Veronica sagte: »Sie meint, ich würde heute nichts zustande bringen. Vielleicht hat sie recht. Vermutlich hätte ich daheim bleiben sollen.«
Zach hatte im Allgemeinen kein Problem damit, sich mit Frauen zu unterhalten, schließlich war er in einem Haus voll mit ihnen aufgewachsen. Er kannte den Rhythmus ihrer Sprache, das Wechselspiel ihrer Bewegungen und wusste, wie er sich ihrem Tanz anzupassen hatte. Im Moment jedoch verschlug es ihm die Sprache. »In solchen Situationen weiß man nie, was man tun soll. Alles scheint falsch zu sein.«
Sie riss ihre braunen Augen auf. »Genau! Genau so empfinde ich. Ich weiß nicht, was ich mit mir anfangen soll. Wobei mich das daran erinnert, dass ich Ihnen etwas zu zeigen habe.«
»Es wäre besser, wenn Sie mich erst erzählen lassen, weshalb ich hergekommen bin.«
Es wäre besser, wenn du in meine Arme fallen würdest und ich dich trösten könnte.
Das klang nach einer guten Idee. Nicht, was die schlechte Nachricht betraf, sondern der Teil, wo er ihr Fels in der Brandung sein konnte. Die Vorstellung war so ansprechend, dass er einige Augenblicke brauchte, um zu bemerken, dass sie mit ihm sprach.
»Dann gehen wir am besten zu meinem Auto. Hier stehe ich doch nur im Weg rum, jetzt wo Monica da ist.«
Er nickte und folgte ihr zum Umkleideraum, vor dem er wartete,
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