Im Dunkel der Nacht (German Edition)
»Ja?« Sie starrte wieder nach unten auf ihre Schlüssel.
»Wie wäre es, wenn ich Sie heimfahre?«
»Ich habe mein Auto gleich hier.« Sie blickte ihn mit glasigen Augen an.
»Ich weiß.« Er hielt ihr seine Hand hin, und es war ein Wunder, aber sie ließ die Schlüssel in seine Handfläche gleiten. Er führte sie behutsam um das Auto herum auf die Beifahrerseite und hielt sie am unteren Rücken fest. Er war sich der Rundungen ihrer Hüften leider viel zu bewusst. Er öffnete die Tür, sie stieg ein und schnallte sich automatisch an. Er eilte zurück auf die Fahrerseite und nahm sein Handy zur Hand.
Er drückte die Kurzwahltaste. »Frank, hier ist Zach. Ich bringe Miss Osborne nach Hause.«
Es gab eine Pause. »Mann« war alles, was er sagte.
»Nicht« war alles, was Zach entgegnete.
»Wie auch immer. Aber pass auf dich auf.«
»Mach ich immer.« Zach zwängte sich ins Auto und brachte seine Knie kaum unter das Lenkrad. Er schob den Sitz zurück und stellte die Spiegel ein.
»Ich wohne drüben in Curtis Heights«, sagte sie.
»Ich erinnere mich. Ich war schon mal da.«
»Stimmt.« Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und verfiel in Schweigen.
Während der Fahrt drehte sie sich einige Male zu ihm um und öffnete den Mund, als ob sie etwas sagen wollte, schwieg dann aber weiter.
Er parkte ihr Auto und führte sie den Weg entlang zu ihrer Wohnung. Er öffnete die Tür und folgte ihr hinein.
Sie ließ ihre Handtasche auf den Tisch neben der Tür fallen und lief weiter. »Ich muss duschen.«
»Sicher«, sagte er und sah ihr nach.
Er ging in die Küche und suchte nach etwas Essbarem für sie.
Gary sah sich eine Zusammenfassung über den Tod von George Osborne und einen Ausschnitt der Pressekonferenz an, die Schokostreusel gehalten hatte. Sie war wirklich bemüht, unschuldig zu erscheinen, nicht wahr? Aber ihn konnte sie nicht täuschen. Sie hatte ihm etwas vorgespielt, genau wie die anderen auch.
Er legte das Foto in das Paket, versicherte sich noch einmal, dass er seine Handschuhe trug, und adressierte es an Schokostreusel. Es würde sie daran erinnern, was sie getan hatte.
Veronica stand unter dem Strahl der Dusche. Sie musste sich konzentrieren, um sich an alles zu erinnern. Sie hatte das Krankenhaus verlassen. Zach hatte ihr erzählt, dass jemand Max absichtlich umgebettet hatte. Sie hatte begriffen, dass ihr Vater nichts mit allem zu tun hatte. Nicht, dass ihn sein Ruf jetzt noch gekümmert hätte.
Es war, als träfe sie der Irrsinn der letzten Tage nun mit voller Wucht. Sie hatte erfahren, dass Max gefunden wurde, allerdings bereits zwei Jahrzehnte zuvor gestorben war. Sie hatte versucht, ihren Vater gegen möglicherweise berechtigte Anschuldigungen zu verteidigen, und hatte anschließend seine Leiche gefunden. Es brach alles über sie herein.
Das war das Problem mit dem Verdrängen. Sobald man nachgab, war man mit der Realität in all ihrer Härte konfrontiert. Sie wünschte sich ihren Mantel des Leugnens zurück. Stattdessen hatte sie nur den langsam kühler werdenden Strahl ihrer Dusche und den Geruch von Essen, der aus der Küche kam.
Sie kämmte ihre nassen Haare zurück, zog ihren Pyjama und die Slipper an und ging nach unten. Sie fand Zach, der vor sich hinfluchte, als ihm beim Wenden das Omelett zerbrach.
»Das gelingt mir auch nie«, sagte sie. »Am Ende werden es immer Rühreier mit Füllung.«
Er drehte sich um und lächelte. »Bei meiner Schwester sieht es immer ganz leicht aus. Sie glauben gar nicht, wie oft sie schon versucht hat, es mir beizubringen, aber ich krieg’s einfach nicht hin.«
»Ihre Schwester Ronda? Die Krankenschwester?« Veronica setzte sich an den Tisch.
Er schüttelte den Kopf und wandte sich wieder der Pfanne zu. »Nein. Meine ältere Schwester Nancy.«
»Wie viele Schwestern haben Sie?« Es musste so schön sein, Geschwister zu haben. Wie es wohl wäre, gerade jetzt jemanden zu haben, der genau verstand, was sie dachte und fühlte? Jemand, der mitfühlen konnte, weil dasselbe Blut durch seine Adern floss.
»Drei Schwestern, sie sind alle älter als ich. Aber keine Brüder«, antwortete er.
»Im Haus meiner Mutter fließt quasi der reinste Östrogenfluss.«
»Also nur Sie und Ihr Vater gegen all diese Frauen?«, fragte sie.
Er gab die Eier auf einen Teller und drehte sich um. »Nicht ganz. Er starb, als ich zwölf war. Meine Mutter hat wieder geheiratet, aber erst als ich siebzehn wurde. Da waren meine Schwestern schon alle aus dem Haus. Zumindest
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