Im Dunkel der Nacht (German Edition)
Maßnahmen unangenehm. Lyle wusste nicht mehr, wer zuerst ausgeholt hatte. Er war es nicht, doch er war erleichtert, als es passierte.
Drei erwachsene Männer gegen einen vierzehnjährigen Jungen. Als sie mit ihm fertig waren, hätte er selbst den Mord an Kennedy gestanden. Es war ungeheuer befriedigend.
Das Problem war, dass es nicht dabei blieb. Nach einer Weile hörten sie auf, Fragen zu stellen, und gingen direkt zu den Schlägen über. Warum sollte man Zeit verschwenden? Ohne Nachdruck hätten die kleinen Stinker einem sowieso nichts verraten. Die einzige Sprache, die sie verstanden, war ein Schlag auf den Kopf und ein Tritt in den Hintern.
Es gab auch keine Konsequenzen. Aaron Joiner war zu alt gewesen, um zu begreifen, was sich vor seinen Augen abspielte. Die Leitung seiner Schule hatte er seinen Angestellten überlassen. Und die meisten Eltern waren so froh darüber, ihren jugendlichen Missetäter los zu sein, dass sie kaum schrieben und noch seltener auf einen Besuch vorbeikamen. Lyle und seine Kollegen hatten gleich zu Beginn verstanden, dass es niemanden gab, der sie aufhalten konnte.
Es war aufregend, so viel Macht zu besitzen. Sexuell erregend. Lyle spürte, wie das Blut in seine Lenden schoss, als einmal ein Schüler vor ihm auf dem Boden kroch und um Gnade winselte. Und er war nicht der Einzige, dem es so erging. Er hatte die hochroten Gesichter und die verräterischen Beulen gesehen und das Stöhnen gehört.
Es gab an der Sierra School nicht viele Möglichkeiten, sich sexuell abzureagieren. Sie lag einfach zu abgelegen. Die Stadt – soweit man davon sprechen konnte – lag Meilen entfernt, und selbst wenn man den Weg dorthin über dunkle, verschlungene Pfade auf sich nahm, hatte man keine Garantie, auf eine willige Frau zu treffen. Es dauerte daher nicht lange, bis einige der Männer ihren Trieben auf die nächstliegende Art und Weise nachgaben.
Lyle hatte am Anfang nichts davon gewusst. Die Jungen erzählten nichts, da sie sich zu sehr schämten und zu gebrochen waren, um zu erzählen, was ihnen angetan wurde. Und die Männer prahlten auch nicht gerade damit – sie wussten, dass es falsch war. Letztlich war Lyle aber doch dahintergekommen.
Und er unternahm nichts, um es aufzuhalten.
Damals war er der Meinung, die kleinen Stinker hätten es verdient. Sie benahmen sich wie Tiere, also wurden sie auch wie Tiere behandelt.
Heute machte es ihn krank.
Er wusste nicht mehr, wie Max Shelden ihn so aus dem Konzept bringen konnte. Vielleicht war es die Art, wie die anderen zu ihm aufsahen. Er war der geborene Anführer.
Lyle nahm an, dass Max dieser Rolle auch gerecht wurde. Es ärgerte ihn, dass ihm dieser Junge somit seine Stellung streitig machte. Die Tatsache, dass er obendrein nicht den geringsten Respekt vor Autoritäten hatte, machte es nur noch schwieriger.
Irgendwann war Max ins Zentrum von Lyles Frustration gerückt. Alles gipfelte schließlich in einer schrecklichen Nacht, in welcher der Junge starb und Lyle sich mit Blut beschmutzte, das er niemals mehr würde abwaschen können.
Lyle hatte versucht, den Mann, zu dem er geworden war, zusammen mit Max’ Leiche zu begraben. Er hielt Abstand zu den gewalttätigen Charakterzügen, die in ihm schlummerten, er ging direkten Konfrontationen aus dem Weg. Auch direkten Umgang mit Kunden vermied er und beschränkte sich lieber auf Verwaltungstätigkeiten, für die er glücklicherweise etwas übrighatte.
Doch jetzt stand er vor dem Badezimmerspiegel und blickte auf seine Hände. Es war, als wäre Max Shelden zurückgekehrt, um ihn von einer verzweifelten Tat zur nächsten zu treiben.
Aber es war nicht seine Schuld. Die Leute zwangen ihn dazu. Normalerweise würde er sich nie so verhalten. Er hatte sich zwanzig Jahre lang nicht so verhalten. Er war vorsichtig gewesen. So extrem vorsichtig.
Und er würde auch vorsichtig bleiben. Es stand zu viel auf dem Spiel für ihn.
Er wusch sich, setzte ein Lächeln auf und ging zum Abendessen.
13
Es war schon spät, als Zach und Frank Sacramento erreichten. Zach war hundemüde, aber aufgedreht von der Fahrt. Frank war bei Auburn eingeschlafen und hatte die restliche Strecke bis Sac mit Schnarchen verbracht. Er weckte ihn schließlich vor seinem Haus und setzte ihn ab.
Zach überlegte, ob er ebenfalls nach Hause fahren sollte, doch wollte er es unbedingt vermeiden, dass Veronica Osborne aus der Zeitung oder dem Radio erfuhr, dass sie die eigentliche Ruhestätte ihres Bruders entdeckt hatten. Vermutlich
Weitere Kostenlose Bücher