Im Dunkel der Nacht (German Edition)
»Das weiß ich noch nicht. Ich habe es ins Labor gebracht, damit keine potentiellen Spuren vernichtet werden.«
»Und gibt es Spuren?« Sie sah hoffnungsvoll aus, und er hasste es, sie zu enttäuschen.
»Nein. Außer dem Hinweis, dass derjenige, der das Paket geschickt hat, außerordentlich bedacht darauf war, keine Spuren zu hinterlassen. Wir haben mit jemandem zu tun, der schlau, organisiert und bereit ist, sich Zeit für sein Verbrechen zu nehmen.« Was nicht nach der Person klang, die George Osborne umgebracht hatte. Wer immer dafür verantwortlich war, schlug einfach zu und machte sich später Gedanken darum, die Spuren zu beseitigen. Allerdings hatte es zwei Personen am Tatort gegeben.
Sie zitterte. Er konnte es ihr nicht verdenken, das Ganze jagte auch ihm leichte Angst ein. Die Mehrzahl der Kriminellen war nicht derart intelligent. Die meisten Menschen, die schlau genug waren, um ausgefeilte Pläne zu schmieden, gingen dazu lieber in die freie Wirtschaft, wo sie nicht ihre Freiheit aufs Spiel setzten.
Selbst der durchschnittliche Soziopath versuchte bisweilen, auf der Seite des Gesetzes zu bleiben. Zumindest meistens. Die Gefängnisse waren voll mit Leuten, die kein Gewissen, keine Schuldbildung, kaum Intelligenz und vor allem keine Alternativen hatten. Der Hauptteil von Zachs Arbeit bestand darin, solche Leute dort hinzubringen.
»Was soll ich jetzt tun?«, fragte sie. Er konnte an der Haltung ihres Unterkiefers erkennen, dass sie sich entschlossen hatte, sich zusammenzureißen und eine Lösung zu finden.
»Fühlst du dich hier noch sicher?« Er war nicht begeistert von der Vorstellung, dass sie hier alleine war.
Sie sah sich in ihrer Küche um. »Ich weiß nicht. Ich war den ganzen Tag über hier, und es ist nichts passiert.«
»Gibt es jemanden, den du darum bitten könntest, zu dir zu ziehen?«
Sie sah ihn schief an. »Die Konversation kann ich mir lebhaft vorstellen. He, hast du nicht Lust bei mir zu wohnen, ich werde nämlich von einem Psychopathen verfolgt.«
Er schnaubte ein wenig und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. »Du könntest bei meiner Mutter bleiben. Sie hat ein separates Gästezimmer. Da wärst du sicher.«
Sie warf ihm einen weiteren Blick zu.
Fein, dann eben nicht. Er ging in ihr Wohnzimmer. »Verdammt, ich hatte vergessen, wie klein dein Sofa ist.«
Das Ding war gerade mal einen guten Meter lang. Es war unmöglich, dass er darauf schlafen konnte.
Sie drehte sich zur Couch. »Und?«
»Sehe ich so aus, als würde ich auf ein Zweiersofa passen? Außerdem ist es aus diesem Korbzeug, was es nicht mal zu einer richtigen Couch macht.«
»Es ist eine richtige Couch, und man nennt es Rattan. Die werden fürs Wohnzimmer gemacht.«
»Ja, vielleicht, aber man kann nicht darauf schlafen.« Zumindest nicht Männer, die über einen Meter achtzig groß waren und neunzig Kilo auf die Waage brachten.
»Nein. Man setzt sich darauf.« Sie verstand nicht, worauf er hinauswollte.
»Und wo soll ich dann schlafen?«
Sie erstarrte. »Ähm, in deiner Wohnung? Bei deiner Mutter? Ich weiß nicht.«
»Vergiss es. Ich bleibe da, wo du bist. Das ist abgemacht.«
»Wer hat das abgemacht?«
»Hauptsächlich ich, aber nicht zuletzt auch derjenige, der dir das Geschenk vor die Tür gestellt hat.«
Er konnte förmlich sehen, wie ihre Räder tickerten, während sie verzweifelt nach einem Gegenargument suchte, das sie nicht finden konnte. Schließlich sagte sie: »Weißt du was? Ich brauche einen Drink.«
»Gott sei Dank. Ich dachte schon, du wärst abstinent. Vermutlich hätte ich damit leben können, aber irgendwann wäre es bestimmt zum Problem geworden.«
Sie lachte. »Soll das heißen, du willst auch einen?«
»Ja, bitte.«
Er folgte ihr in die Küche. Sie holte eine Flasche
Maker’s Mark
aus dem Regal, nahm zwei Gläser, in die sie jeweils zwei Eiswürfel tat, und schenkte anschließend den Whiskey ein. Sie gab ihm ein Glas, nahm das andere und stieß mit ihm an. »Cheers.« Dann nahm sie einen langen, großen Schluck.
Er hob sein Glas und tat es ihr gleich.
15
Hier in der Küche, in seiner Nähe und mit dem Whiskey im Bauch ließ sich Veronica schließlich gehen. Sie war müde und einsam, und er war warmherzig und stark. Und er war ein guter Mensch. Er sorgte sich um die gleichen Dinge wie sie. Menschenwürde, die jedem zustand, der Schutz von Kindern und Hilfe für jeden, der sich nicht selbst helfen konnte.
Außerdem hatte er Schultern, für die es sich zu sterben
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