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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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Galerie?«, fragte sie auf dem Weg zum Parkplatz, wo Frau Hilperts Wagen stand.
    Â»Gestern war jemand da, der Sie sprechen wollte. Er sagte, er sei ein Bekannter. Thomas Flemming. Sagt Ihnen der Name etwas?«
    Ebba jagte ein leiser Schauer über den Rücken, obwohl sie nicht wusste, warum. Sie kannte niemanden, der so hieß.
    Â»Können Sie ihn beschreiben?«
    Â»Vielleicht vierzig. Groß, schlank, dunkle Haare. Typ Marlboro-Mann. Findet sich bestimmt unwiderstehlich.«
    Â»Also nicht unbedingt Ihr Fall«, stellte Ebba belustigt fest. Vielleicht war es jemand, dem sie auf einer Kunstmesse ihre Karte gegeben hatte, vielleicht ein Künstler, der einen Fuß in ihre Galerie bringen wollte. Es konnte also interessant werden.

Sechsundzwanzig
    Dienstag, 22. März 2011
    Er tauchte kurz vor Geschäftsschluss auf. Ebba hatte den Laptop bereits heruntergefahren und war dabei, die Beleuchtung zu dimmen und die Alarmanlage einzuschalten, als die Tür aufschwang. Ebba erkannte ihn sofort: groß, sportlich, dunkle Haare, die sie ein bisschen an Jörg erinnerten, kantiges Kinn, offener Blick. Der Marlboro-Mann, von dem Frau Hilpert gesprochen hatte. Er trug Jeans, eine lässige braune Wildlederjacke und derbe Schuhe. Auf den ersten Blick wirkte er ganz sympathisch. Besonders fiel Ebba die Farbe seiner Augen auf: Ihr Chagallblau erinnerte sie an die Kirchenfenster von St. Stephan in Mainz.
    Er reichte ihr die Hand. »Ich bin Thomas Flemming, Georgs Schulfreund.«
    Ebba trat einen Schritt zurück und verschränkte ihre Arme. Misstrauen schwappte in ihr hoch. Georg hatte keine Freunde gehabt, schon gar nicht in der Schulzeit.
    Â»Es tut mir leid, dass ich nicht eher gekommen bin. Ich war im Ausland, als er starb, und konnte daher nur einen Kranz schicken.«
    Vage tauchte vor ihrem geistigen Auge ein rotgrünes Gebilde auf. Ein riesiger, unpassender Kranz mit blutroter Schleife und schwarzer großer Schrift. »Für Georg – dein Thomas«. Ihre Mutter hatte sie darauf aufmerksam gemacht.
    Vorsicht, mahnte eine innere Stimme.
    Â»Er hatte nie einen Freund«, erwiderte sie.
    Â»Steuerberater ist er geworden, nicht wahr?«
    Â»Was kann ich für Sie tun?«
    Er hob die Hände halb hoch. »Ich bin in der Stadt, um mich ein wenig umzusehen, weil ich mich nächstes Jahr eventuell hier niederlassen möchte. Als ich Ihre Galerie sah, kamen sofort alte Erinnerungen an Georg hoch. Aber müssen wir das hier besprechen? Darf ich Sie einladen? Rizzi? Le Bistro? Schneider’s Weinstube? Monte Christo?«
    Ebba schwankte. Vielleicht würde sie nach all den Jahren noch eine neue, bisher unbekannte Seite ihres Bruders kennenlernen. Wenn es überhaupt stimmte, dass sie befreundet gewesen waren. Das würde sie aber nur herausfinden, wenn sie einwilligte.
    Die kleinen Tische in der Tapas-Bar waren wie geschaffen dafür, jemandem auf den Zahn zu fühlen.
    Â»Ich wette, Sie nehmen die Rosé-Schorle«, sagte Flemming, als sei er sich seiner Sache sicher. Er orderte zwei Gläser und eine gemischte Tapas-Platte, ohne auf Ebbas Zustimmung zu warten, lächelte aber so entwaffnend, dass sie sich geschlagen gab. Die spezielle Rosé-Schorle, für die das Lokal bekannt war, mochte sie wirklich gern.
    Die Oliven kamen, und Ebba beschloss, Flemmings Geschichte zu prüfen. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass Georg ihr einen Freund verschwiegen hatte.
    Â»Waren Sie mit meinem Bruder in derselben Klasse?«
    Â»Das nicht gerade.«
    Â»Sondern?«
    Â»Ich war im anderen Zweig.«
    Â»Sie bluffen. Georg hat nie von einem Freund und auch nie von einem Thomas gesprochen.«
    Â»Doch, wir waren gute Freunde. Er – nun, ich musste ihm schwören, nie darüber zu sprechen, was er mir anvertraute, und zwar bis über den Tod hinaus.«
    Â»Ich glaube Ihnen kein Wort.«
    Â»Sie wollen einen Beweis, dass ich Georg kannte? Nun – er hat versucht, alles gut zu machen. Er war Perfektionist, oder besser: ein Pedant. Schon in der Schule hat er seine Stifte nach der Größe geordnet und ist blau angelaufen, wenn wir sie ihm durcheinandergeworfen haben.«
    Â»Sagten Sie nicht gerade, Sie waren nicht in seiner Klasse?«
    Â»Herrje, nun seien Sie doch nicht so misstrauisch. Manchmal war ich bei ihm, wenn er Hilfe brauchte. Die Mitschüler haben oft Sachen versteckt, die er kurz zuvor sorgfältig auf den Tisch gelegt hatte. Kaum

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