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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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war er abgelenkt, fehlte etwas. Das hat ihn schier verrückt gemacht. Aber ich habe das Zeug meistens gefunden und ihm zurückgegeben. Kinder können Teufel sein!«
    Â»Er hat mir nie davon erzählt.«
    Â»Das war der Deal.«
    Â»Was?«
    Â»Er erzählt daheim nichts aus der Schule, und ich erzähle in der Schule nichts von ihm. Später hat er angefangen, mir sein Herz auszuschütten. Eigentlich erst im vorletzten Schuljahr. Bis dahin war er eher der komische Außenseiter, ein Spinner mit Ordnungstick.«
    Ebba betrachtete Flemmings schmale Hände, dann seine kräftigen, dunklen Haare und sein unbekümmertes Jungenlächeln. Sagte er die Wahrheit, oder erdichtete er das nur, um sich ihr Vertrauen zu erschleichen, vielleicht damit er ihr ein Seidel-Bild abschwatzen konnte?
    Â»In welcher Klasse waren Sie? Wie hieß Ihr Klassenlehrer?«
    Flemming grinste augenzwinkernd. »Ertappt. Ich wollte es eigentlich nicht an die große Glocke hängen. Ich bin in der vorletzten sitzen geblieben und kam so in seine Parallelklasse. Dr. Altmayer, Physik und Deutsch. Test bestanden?«
    Ebba nickte widerstrebend. Der Name war ihr vage ein Begriff. Georg hatte ihn manchmal erwähnt, weil er Physik geliebt hatte. Die mathematisch unbegabte Rosie hatte bei Nennung des Namens stets die Augen verdreht. Er war pensioniert worden, bevor sie selbst Physik bekam. Es konnte also stimmen, was ihr Gegenüber sagte. Trotzdem blieb sie skeptisch.
    Â»Georg hat mich in vieles eingeweiht, auch in manche Vorgänge innerhalb Ihrer Familie …«
    Wie ein Faustschlag traf Ebba dieser Satz. Niemand durfte etwas über »Vorgänge« in der Familie wissen. Niemand. Hatte Georg wirklich Dinge ausgeplaudert? Sie hatten sich doch von klein auf ewiges Schweigen gelobt. Er hatte nicht mal seiner Ehefrau davon erzählt, und sie selbst hatte auch Jörg gerade nur so weit eingeweiht, dass er bestimmte Situationen vermeiden konnte, die sie sonst verrückt machten, aber er kannte keinerlei Hintergründe. Er würde nie mehr ungefragt eine Zimmertür schließen, nahm hin, dass sie am liebsten in Lokalen mit offenen Küchen speiste, anstatt etwas zu essen, das er gekocht hatte …
    Sie stocherte im Schafskäse, pickte noch eine Olive auf und ließ das Fleischbällchen liegen.
    Â»Jörg schickt Sie, stimmt’s?« Es gab keine andere Erklärung. Georg hätte einem Fremden niemals ihre Geheimnisse verraten. Schon gar nicht damals, in der Schulzeit.
    Flemming legte den Kopf schief. »Ich kenne keinen Jörg. Ist das Ihr Freund? Hören Sie auf, sich das Gehirn zu zermartern. Ich hätte nichts angedeutet, wenn Sie mir gleich geglaubt hätten. Ich werde auch nie darüber reden, okay?«
    Â»Das ist alles ewig her.«
    Â»Ich wollte keine unangenehmen Erinnerungen wecken.« Er sah zerknirscht aus, und es dauerte eine Weile, bis er erneut das Wort ergriff. Seine Stimme hatte das Forsche verloren. »Ich glaube, jeder hat sein Päckchen aus der Kindheit zu tragen. Ich bin da keine Ausnahme. Bei uns war es auch nicht einfach.« Wieder stockte er und zerkrümelte ein Stückchen Brot auf dem Teller, sah nachdenklich zur Decke, bevor er sich wieder Ebba zuwandte. »Ich will Ihnen nicht zu nahe treten. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie wissen, dass meine Mutter viel zu früh starb und meine jüngste Schwester von Geburt an mehrfach behindert ist. Da konnte ich auch nicht leben, wie ich wollte.« Erneut machte er eine Pause und nahm einen Schluck.
    Â»Das tut mir leid.«
    Er blickte hoch und lächelte wehmütig. »Ich will Ihnen nichts vorjammern, ich wollte nur sagen, dass ich Mitgefühl mit Ihnen habe. Es muss schwer für Sie sein, vor allem im Augenblick. Ihre Schwester ist gestorben, hat mir Ihre Assistentin gesagt. Wie ist es passiert? Mögen Sie darüber reden?«
    Ebba presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
    Â»Und Georg? Das Herz, habe ich gehört?«
    Sie nickte.
    Â»Damit hatte er immer Probleme. Konnte nicht mit uns rennen, nicht schwimmen, nicht turnen. Armer Kerl. Dabei war er zäh und hat nie geklagt. Trotzdem musste man bei ihm mit so etwas rechnen. Warum ist er eigentlich nie operiert worden?«
    Â»Die Chancen standen 50 zu 50, und meine Mutter war dagegen. Es ging ja auch so. Jedenfalls bis …« Ebba konnte nicht weiterreden. Wieder stand das Bild von Georg in der sich

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