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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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waren zu vereinzeln, der Boden zu lockern. Ob er schon die Wasserleitungen öffnen sollte? Das musste am Montag der Chef entscheiden.
    Es gab auch so genug zu tun. Später wollte er Mandy bei den Vorbereitungen für die Teenager-Party helfen, die am Abend steigen sollte. Und morgen würde die Verwandtschaft wie üblich anreisen und ihn heimlich beobachten, den Alkoholiker, dem man nicht trauen durfte. Einmal Trinker, immer Trinker.
    Er schulterte Hacke und Astschere, nahm wie üblich eine Flasche Mineralwasser aus dem Kasten und schwang sich auf den kleinen Transporter, der ihn schnell und bequem zum ersten Grab bringen würde.
    Die Zeit verging wie im Flug. Als es zwölf Uhr läutete, schreckte er schuldbewusst hoch. Er hatte vollkommen vergessen, sich um das Seidelgrab zu kümmern, obwohl er es versprochen hatte.
    Rasch eilte er den Berg hinauf, dann den ebenen Weg nach links.
    Er sah den Kerl schon von Weitem. Er hatte eine Plastiktüte in der Hand, aus der er die bekannte Flasche zog und sich damit über das Grab beugte.
    Â»Halt, he, Sie da!«, schrie Buschert und begann zu rennen.
    Der Fremde sah ruckartig auf. Für einen Moment fürchtete Buschert, er würde weglaufen. Er würde ihn niemals einholen können, denn der Fremde sah sportlich aus. Ein paar Spaziergänger in der Nähe blieben stehen und sahen aufmerksam herüber.
    Dann hatte Buschert das Grab erreicht. »Was machen Sie da? Warum tun Sie das? Wer sind Sie?«, keuchte er.
    Der dunkelhaarige Fremde sah ihm freundlich entgegen. »Pflegen Sie dieses Grab?«
    Buschert machte eine Kopfbewegung zu der Flasche, die auf der Erde lag.
    Â»Nehmen Sie die weg. Das ist nicht erlaubt.«
    Â»Wo steht das?«
    Â»Abfälle gehören in die dafür aufgestellten Behälter.«
    Â»Das ist ein Ritual, kein Abfall.«
    Â»Dann hole ich jetzt Frau Seidel.«
    Â»Auf Wiedersehen.« Der Mann entfernte sich ein paar Schritte.
    Â»Das nutzt Ihnen nichts. Ich kann Sie beschreiben, dann wird sie schon wissen, wer ihr ständig diesen schlechten Streich spielt!«, rief Buschert ihm nach.
    Der Mann blieb stehen und drehte sich um. »Da haben Sie recht«, sagte er langsam und verzog seinen Mund zu einem schiefen Lächeln. »Also gut, wie Sie wollen. Ich würde Ihnen gern alles erklären. Aber bitte, sagen Sie Frau Seidel nichts.«
    Â»Natürlich rufe ich sie an. Dafür hat sie mir ihre Nummer gegeben.« Buschert holte das Handy aus der Brusttasche und begann zu tippen. Er hatte die Nummer zum Glück gespeichert.
    Der Fremde drückte ihm sanft die Hand nach unten. »Bitte nicht, Herr …« Sein Blick streifte das Namensschild auf dem Overall. »Herr Buschert. Sie würden Frau Seidel sehr unglücklich machen.«
    Â»Wie meinen Sie das?«
    Â»Ich kann Ihnen alles erklären, aber nicht jetzt. Ich habe einen Termin, ich muss los. Können wir uns heute Nachmittag irgendwo treffen, wo wir ungestört sind?«
    Â»Mein Sohn hat heute Geburtstag.«
    Â»Morgen?«
    Â»Familienfeier.«
    Â»Wann dann?«
    Buschert musterte den Fremden. Es schien ihm ernst zu sein. Seine dunkelblauen Augen saugten sich förmlich an ihm fest, schienen ihn hypnotisieren zu wollen.
    Â»Ich weiß nicht … Ich habe Frau Seidel fest versprochen, dass ich sie anrufe, sobald ich etwas bemerke.«
    Der Fremde bückte sich und nahm die Flasche wieder an sich. »Und was sehen Sie jetzt?«
    Â»Das ist albern.«
    Der Mann seufzte. »Also gut. Dann stelle ich mich wohl besser vor. Meine Name ist Thomas Seidel.«
    Â»Ein Verwandter von …?«
    Â»Einer, von dem niemand etwas weiß. Außer unserem Vater natürlich.«
    Es dauerte eine Weile, bis Buschert begriff. »Sie sind ihr Bruder?«
    Â»Halb – richtig.«
    Â»Versteh ich nicht.«
    Â»Ich erkläre es Ihnen. Aber Ebba, also Frau Seidel, darf nichts erfahren, das müssen Sie mir versprechen. Hören Sie, ich statte meinem Vater nur an meinem Geburtstag einen Besuch ab, das ist alles. Es war seine Lieblingsmarke. Können Sie eine Ausnahme machen? Nur heute? Morgen werde ich sie entsorgen.«
    Der Mann hob die Flasche hoch, schraubte den Deckel ab und trank einen Schluck, während er ihn nicht aus den Augen ließ.
    Buschert wurde die Kehle trocken wie ein Reibeisen, während er seine Gier zu bezwingen versuchte und stumm zusah, wie sich der Adamsapfel des Mannes auf und nieder

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