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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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Achse, während sie seine Hand nicht losließ und ihm den kleinen Finger nach hinten umbog, bis er mit einem Schmerzensschrei in die Knie ging. Augenblicklich löste sie den Griff. Stöhnend hielt er sich die Hand und sah anklagend zu ihr hoch.
    Eine Mischung aus Entsetzen über ihre Unbeherrschtheit, aus Ärger und Mitleid stieg in ihr hoch.
    Â»Das … Das wollte ich nicht. Ich wollte dir nicht wehtun. Aber du hast mir den Mund zugehalten, und …! Da kann ich für nichts garantieren.«
    Er lächelte schmerzverzerrt. »Hab ich gemerkt«, stammelte er gepresst.
    Â»Du hättest mir fast den Finger gebrochen. Meine Güte, du kannst mich doch nicht ständig niederschlagen, auch wenn ich das in deinen Augen noch so sehr verdiene.«
    Â»Entschuldigung.«
    Â»Schon gut. Alles wieder okay?«
    Ebba runzelte die Stirn. Okay? Nein, das war es nicht. »Du musst mir etwas versprechen.«
    Â»Alles, was du willst.«
    Was war das für ein seltsamer Unterton? Oder war sie jetzt überempfindlich? Wahrscheinlich.
    Â»Lass die Vergangenheit ruhen, Jörg, verstanden?«
    Er nickte und hob Zeige- und Mittelfinger zum Schwur. »Großes Ehrenwort.«
    Â»Egal, was passiert. Auch wenn du meinst, etwas anderes sei richtig.«
    Â»Auf immer und ewig!«
    Warum übertrieb er so? Meinte er es ehrlich? Konnte sie sich noch auf ihn verlassen?
    Sosehr sie es sich auch wünschte, sie vermochte den letzten Rest Misstrauen einfach nicht hinunterzuschlucken. Jörg tat alles, um sie aufzumuntern. Er kaufte zum Frühstück frische Brötchen und Zeitungen, brachte ihr Espresso ans Bett, schlug von sich aus einen Spaziergang durch die Lichtentaler Allee vor, obwohl er die Parkanlage gerade sonntags zu überlaufen fand. Nachmittags fragte er sie liebevoll, ob sie Lust hätte, ins Kino nach Karlsruhe zu fahren.
    Nichts hellte ihre Stimmung auf. Gegen Abend resignierte er.
    Â»Ich geh besser nach Hause«, murmelte er. »Du brauchst Zeit, um über meine Dummheit hinwegzukommen. Kann ich noch irgendetwas tun, damit du mir verzeihst?«
    Â»Es hat nichts mit Verzeihen zu tun als vielmehr mit Vertrauen. Beziehungsweise mit nicht mehr vorhandenem Vertrauen. Es tut mir leid, Jörg. Ich bin schwierig, ich weiß das selbst. Ich wäre so gern anders.«
    Er umarmte sie liebevoll. »Ich möchte dich gar nicht anders haben. Ich mach das wieder gut, das verspreche ich dir.«
    Jörgs liebe Stimme redete immer weiter, schmeichelte ihr, schlich sich in ihre Seele. Das musste aufhören. Sie wollte nicht über sich reden, auch nicht über ihre toten Angehörigen. Es war ihr Thema, es gehörte ihr ganz allein.
    Â»Aufhören, bitte, Jörg, aufhören«, flehte sie schließlich und hielt sich die Ohren zu.
    Er schwieg verblüfft. »Was hast du nur? Manchmal glaube ich …«, begann er und brach ab.
    Â»Was?«
    Â»Nichts. Schon gut. Ich will nicht mit dir streiten. Ich will dich so nehmen, wie du bist. Mit all deinen Schwächen …«
    Â»Schwächen? Ich? Welche?«
    Â»Dass du nie über deine Gefühle redest, zum Beispiel, oder sie zeigst.«
    Er sollte sie endlich in Ruhe lassen. Warum merkte er nicht, dass er gehen musste? Setzte er sie unter Druck, um sie zu testen? Wollte er, dass sie die Beherrschung verlor? Das würde nie der Fall sein, niemals.

Einunddreißig
    Montag, 28. März 2011
    Trotz der drohenden Regenwolken war es ein milder Frühlingstag. Die Meisen überschlugen sich fast im Hochzeitstaumel, Krokusse, Blausternchen und die ersten Tulpen blühten in voller Pracht, auch das Unkraut schoss leider nur so aus dem feuchten Boden. Im Gegensatz zu sonst konnte Frank Buschert dieses Erwachen überhaupt nicht genießen. Jede Faser seines Körpers sehnte sich nach einem Schluck. Einem einzigen, winzigen. Nur die Lippen benetzen. Es war, als habe es die vergangenen fünfzehn Jahre nicht gegeben. Was auch immer er tat – dauernd tauchte das Bild des Mannes mit der Schnapsflasche auf. Er hatte jeden Tropfen, den dieser trank, auf der eigenen Zunge, in der Kehle und im Magen gespürt.
    Er hatte ihn nur deswegen gewähren und die Flasche zurücklegen lassen, weil er es keine Minute länger ausgehalten hätte, in Gegenwart dieser Flasche mit ihm zu diskutieren. Er hatte sich umdrehen und weggehen müssen, sonst hätte er dem Fremden die Flasche vielleicht aus der Hand gerissen und sie

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