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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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weiß, dass du nicht fliegst. Ich bin gern bei dir, und es soll dir gut gehen.«
    Ihm lag eine bissige Antwort auf der Zunge, denn es konnte eigentlich nur sie sein, die ihm seit Wochen diesen Schabernack spielte. Wer sonst sollte es auf ihn abgesehen haben? Sie hatten kaum private Kontakte in Heidelberg, es gab niemanden, der ein Interesse daran haben konnte, dass er durchdrehte. Nur Maria. Sie würde das Haus verkaufen, seine Konten plündern und auf die Philippinen zurückkehren, wo niemand sie finden würde. Andererseits war es schwer vorstellbar, dass hinter der Sabotage wirklich seine sanftmütige, ergebene Ehefrau steckte.
    Ach, am besten, er beobachtete alles noch für eine Weile, möglichst ohne den Verstand zu verlieren. Und dann würde er ihr eine Falle stellen.
    Ebba war wie gerädert, als sie endlich die Tür zu ihrem Penthouse aufschloss. Was für ein verkorkstes Fest! Sie sollte es aufgeben, die Familie zusammenhalten zu wollen. Das machte alles nur noch schlimmer. Nachdem Georg gegangen war, war ihre Mutter im stillen Gebet abgetaucht, Rosie hatte sich gewunden, weil sie nicht wusste, wem von beiden sie es nun recht machen sollte, und auch sie selbst hatte keinen Ausweg gefunden, die Situation noch zu retten, sondern hatte stumm die Teller zusammengestellt.
    Am meisten machte sie sich um Georg Sorgen. Er war blass und nervös gewesen, und dieser abrupte Aufbruch passte nicht zu ihm. Vielleicht hatte sein Zustand mit Marias Andeutungen zu tun. Was bildete er sich nur ein, dass er plötzlich sogar seine perfekten Manieren vergaß?
    Sie wuchtete den Korb mit dem fast unberührten, verkorksten Festessen, vor dem es sie ein wenig ekelte, das ihre Mutter aber nicht hatte aufheben »können«, auf die Küchentheke und versuchte, die Dosen, Schüsseln und Teller irgendwie im Kühlschrank zu verstauen. Jetzt wäre es schön gewesen, wenn sie Jörg und seine Tochter für morgen hätte zum Essen einladen können. Aber sie selbst hatte darauf bestanden, dass sie sich während der Feiertage nicht gegenseitig anriefen. Sie wollte es langsam angehen mit ihm; nichts war grässlicher, als von jemandem sofort vereinnahmt zu werden.
    Dabei war es jetzt fast umgekehrt: Sie hätte gern mit ihm über den Tag geredet. Er hatte sich vor Kurzem sehr eingehend nach Georg erkundigt, und sie hatte entgegen ihrer Vorsätze dessen Schrullen erwähnt, über die sie sich beide etwas lustig gemacht hatten. Jedes Mal, wenn sie die Wohnungstür oder die Galerie abschloss, musste sie zum Beispiel an ihren Bruder denken. Er würde eine halbe Stunde brauchen, um endlich beruhigt in den Feierabend gehen zu können. Bis dahin hätte er das Schloss ein Dutzend Mal kontrolliert und zwischendurch die Sache noch schlimmer gemacht, weil er wieder hineingehen und Strom, Fenstergriffe und Wasserhähne inspizieren musste. Armer Kerl. Und nun litt er noch unter weiteren Verfolgungen? Arme Maria!
    Ebba dimmte die kleine Lampe auf der Anrichte, das Tag und Nacht brannte, knipste das Deckenlicht aus und lehnte sich in ihrem weißen Sofa zurück, um das Funkeln der Lichter in der Stadt unter ihr zu genießen. Sie beglückwünschte sich jeden Tag aufs Neue zum Kauf dieser Wohnung; ein echter Glücksgriff war das gewesen, wenn auch nicht billig. Russen und Osteuropäer machten die Preise in Baden-Baden kaputt, aber sie hatte ja genug Geld. Das Erbe von damals hatte für die Galerie gereicht, und nach deren fulminantem Start hatte sie sich gleich diese hundertvierzig Quadratmeter über den Dächern des Stadtkerns leisten können. Rechter Hand auf dem Florentinerberg thronte dunkel das unbewohnte Neue Schloss, unter ihr ragte der leicht bauchige Zwiebelturm der rosafarbenen Stiftskirche empor, und links im Tal waren die angestrahlten grauen Zwillingstürme der Stadtkirche auszumachen, die nur einen Steinwurf von ihrer Galerie entfernt lag.
    Ebba goss sich ein Glas italienischen Rotwein ein und ließ ihren Blick durch den riesigen dämmrigen Raum schweifen, der Bibliothek, Küche, Essraum, Mediencenter, Wohnzimmer und Arbeitsplatz zugleich war. Die ausgehängte Tür, die an der Wand lehnte, störte ein wenig, aber sie würde in ein paar Tagen fort sein.
    So hatte sie immer leben wollen. Alle Möbel waren weiß, die Wände und Decken ebenso. Nur der fast schwarze Holzfußboden bildete dazu einen dramatischen Kontrast.
    Bilder

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