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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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ansprang, und er hoffte, sie würde sich wie üblich damit zufriedengeben.
    Â»Es ist Weihnachten«, setzte sie nach, als er das Auto aus der Parklücke manövriert hatte.
    Â»Weihnachten! Haben wir nie gefeiert, bis Ebba auf die Idee kam.«
    Â»Aber jetzt ist es schöne Tradition, oder?«
    Georg schaltete die Scheibenwischer ein. Eine Weile lang war nur das Rucken und Quietschen der Gummilippen zu hören, die Schlieren auf der Scheibe zogen. Höchste Zeit, eine Raststätte aufzusuchen und die Blätter auszutauschen – und die Erinnerungen abzuwaschen, die in ihm nagten. Außerdem hatte er vorhin vergessen, die Funktion von Blinker und Rücklichtern zu kontrollieren, obwohl das doch Vorschrift war.
    Maria plauderte über die fröhlichen Familienfeste in ihrer Heimat, und er war zum ersten Mal froh über ihre Redseligkeit, auch wenn er ihr nicht zuhörte. Zu plastisch stand wieder alles vor seinem geistigen Auge, ausgelöst durch das Wort aus Ebbas Mund.
    Regenwürmer.
    Zehn Stück hatte er im Garten sammeln müssen; der Vater brauchte sie für das neue Bild. Zehn Würmer, die sich in seiner Handfläche wanden – sie sollten das Geheimnis des neuen Gemäldes sein. Er musste sie so lange in den zu einer Schale geformten Händen halten, bis der Vater sie in all ihrem realistischen Schrecken auf die Leinwand gebannt hatte. Dann, sobald die Farbe getrocknet war, würde er alles mit düsterem Braungrün übermalen. Ihm reichte das Wissen um das Geheimnis unter dem eigentlichen Bild, pflegte er zu sagen, und er duldete keinen Widerspruch, kein Aufbegehren, keinen Ekel, kein kindliches Grausen vor den glitschigen, kalten, sich schlängelnden Ungeheuern.
    Er hatte in der kurzen Zeit, die ihm gegeben war, nur sechs Würmer im Garten finden können, so tief er auch in der vom Sommer ausgetrockneten Erde gegraben hatte. Wie immer war er in einer Zwickmühle gefangen: Brauchte er länger als befohlen, wurden die Schwestern bestraft. Brachte er in der richtigen Zeit weniger Würmer als gefordert, wurden sie ebenfalls bestraft. Er wollte ihnen so gern die Truhe und den Fenstersims ersparen, aber er schaffte es einfach nicht.
    Am Abend, als sie in der Küche mit verheulten Gesichtern vor einem Berg undefinierbarer Vollkornmakkaroni mit brauner Soße saßen, erhob der Vater sein Glas.
    Â»Esst, esst«, krakeelte er aufgekratzt, und sie gehorchten ihm, bis er lachend hinzufügte: »Schmecken euch Georgs Regenwürmer?« Scherz oder Wahrheit? Ebba mit ihren damals dreizehn Jahren hatte jedenfalls ihren Bissen wortlos ausgespuckt und am nächsten Tag das alleinige Regiment in der Küche übernommen.
    Plötzlich war es still im Auto, und Maria sah ihn fragend an.
    Â»Entschuldige, was sagtest du?«
    Â»Was ihr früher an Weihnachten gemacht habt, wenn es keine Feier gab? Ist es nicht schrecklich für Kinder, wenn alle Freunde …«
    Â»Wir hatten keine Freunde. Und wir waren froh, wenn der Heilige Abend herum war. Meistens war unser Vater schon am Nachmittag nicht mehr in der Lage, klare Gedanken zu fassen, geschweige denn zu malen oder später mit der Familie … Was rede ich da. Es ist vorbei. Es gibt keine Familientradition. Wir kommen zu diesen Treffen nur zusammen, weil Ebba es will, und natürlich auch, damit Rosie zufrieden ist und Mutter für uns beten kann.«
    Â»Was sie meinte mit dieser Schuld von euch?«
    Georg tat, als müsse er sich auf den Verkehr konzentrieren, und es wurde wieder ruhig im Wagen. Maria hatte gelernt, Fragen nicht zweimal zu stellen. Sie war eine gute Frau. Er war froh, dass er gleich nach der bestandenen Prüfung zum Steuerberater zu dieser Agentur gegangen war. Maria war das sanftmütigste Wesen, das er hatte finden können, und noch dazu teilte sie sein Bedürfnis nach makelloser Sauberkeit und Ordnung.
    Nur wenn alles unter Kontrolle war, war das Leben perfekt.
    Maria unterbrach seine Gedanken. »Warum trefft ihr euch nur einmal im Jahr? Wenn ihr euch öfter besuchen würdet, gäbe es vielleicht nicht diese Spannungen.«
    Â»Weil wir kein Bedürfnis verspüren, uns öfter zu sehen.«
    Â»Aber ihr seid doch eine Familie.«
    Â»Familie!«
    Â»Ja, Familie. Bei uns wir besuchen uns jeden Sonntag, telefonieren zwischendurch oder sehen irgendjemanden aus der Familie. Das war so schön.«
    Â»Hast du Heimweh?«
    Â»Schon okay. Ich

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