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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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würden hier fehlen, hatte Jörg gestern festgestellt, aber sie wollte die Wände nicht zuhängen. Gemälde gab es in der Galerie genug, und zwar nur solche, die ihr wirklich gefielen. Diese Rechnung ging auf: Die Kunden rannten ihr die Tür ein, und sie zahlten jeden Preis, ohne mit der Wimper zu zucken. Manchen brachte sie die Bilder persönlich ins Haus, gleichgültig, ob in Frankfurt, Rottweil oder auf Mallorca. Jörg hatte mit seinen Fotos dafür gesorgt, dass die Galerie mit einem Schlag international bekannt wurde. Sie hatte sogar die Anfrage bekommen, auf der Art Basel einen Stand zu präsentieren, doch davor schreckte sie zurück, denn sie wusste genau, was die Organisatoren dort zu sehen hofften.
    Aber ihr Privatarchiv öffnete sie nur in wenigen Ausnahmen. Jörg war einer der Ersten gewesen, der die Bilder hatte sehen dürfen, und seine Fotos der Exponate hatten diesen Boom ausgelöst, auch wenn sie den meisten Interessenten beschied, dass die Werke unverkäuflich waren. Dass sie glaubte, die Bilder brächten Unglück, weil sie mit den Tränen der Familie gemalt worden waren, behielt sie für sich. Drei von ihnen hatte sie dann doch veräußert – zu unglaublichen Preisen, die ihr den Kauf des Apartments ermöglicht hatten. Jetzt aber blieb das Archiv geschlossen. Sie bekam Kopfschmerzen, wenn sie vor den Bildern stand, sie flüsterten und kreischten zugleich in ihrem Kopf, die grellen Farben bohrten sich in ihre Augen, und der stets dunkle, grünbraune Hintergrund löste Depressionen bei ihr aus. Es war besser, die Stahltüren geschlossen zu halten.
    Ebba nippte an ihrem Glas und versuchte, ihre Gedanken in andere Bahnen zu lenken. Georg fiel ihr wieder ein, ihr armer großer Bruder, der sich seine Kindheit und Jugend hindurch so unermüdlich bemüht hatte, Fehler zu vermeiden, um Rosie und ihr selbst die schlimmsten Auswüchse zu ersparen. Leider war es ihm nie gelungen. Was war es nur, das ihn nun so sehr beunruhigte? Vielleicht sollte sie Maria heimlich anrufen und fragen? Aber das ging nicht unbemerkt. Maria kam abends später als Georg nach Hause und würde sich nicht trauen, in seiner Gegenwart über seine Probleme zu reden. Ein Handy besaß sie nicht. Vielleicht sollte sie die beiden einmal besuchen? Ja, das war eine gute Idee. Zufrieden stellte Ebba das Glas auf den Tisch. Man musste nur nachdenken, dann fiel einem immer ein Ausweg ein.
    Schon als sie in die Straße einbogen, sah Georg, dass nichts in Ordnung war. Im Flur brannte Licht, außerdem im Wohnzimmer und hinter den Kellerfenstern.
    Maria gab einen erstickten Laut von sich und blickte ängstlich zu ihm herüber. »Ich habe die Tür abgeschlossen, zweimal. Ganz bestimmt«, flüsterte sie und hielt sich die Hand vor den Mund, als sei ihr übel.
    Ihm drehte sich ebenfalls der Magen um, und er war froh, dass sie in Freiburg nichts gegessen hatten. Der Schmerz in seinem Magen rührte nicht vom Hunger, er begann zu brennen, arbeitete sich durch die Speiseröhre nach oben in den Brustraum, dann zum Hals, in den Arm, bis in die Hände, die ihm plötzlich nicht mehr gehorchten, als er den Autoschlüssel abziehen wollte.
    Schweißtropfen perlten in seinen Hemdkragen, durch nässten seine Achseln, ließen ihm das Hemd am Rücken fest kleben.
    Sprachlos blieb er sitzen, öffnete nur automatisch den Mund, als Maria ihm das Spray hinhielt.
    Sein Herz beruhigte sich, seine Angst nicht.
    Â»Bleib sitzen«, sagte er rau und wollte sich aus dem Auto winden, doch dann hielt er inne.
    Maria weinte, erst lautlos, dann begann sie zu schluchzen, und ihr Körper zuckte in heftigen Stößen. »Ich – war – das – nicht!«, stieß sie hervor. »Bitte glaub mir doch!«
    Er sah zum erleuchteten Haus, dann zu ihr. Er wollte es gern glauben. Eigentlich war es nicht möglich, dass sie in den paar Sekunden vor der Abfahrt auch noch im Keller gewesen war. Aber vielleicht hatte sie einen Komplizen. Er musste das beobachten, unbedingt. Ehe er keinen Beweis hatte, sollte er vielleicht von ihrer Unschuld ausgehen. Alles andere wäre ungerecht.
    Â»Hör auf zu heulen, Maria«, murmelte er und nahm sie halbherzig in den Arm. »Alles wird gut.«
    Und wenn sie wirklich unschuldig war?
    Es dauerte ein paar Sekunden, dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag.
    Zitternd strich er ihr die Haare aus dem Gesicht und küsste

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