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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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Ausflucht nicht einverstanden. »Es war ein Unfall.«
    Pfarrer Claus legte den Kopf schief und brummte. »Hmmm.«
    Lieber Gott, er glaubte ihr nicht. Was sollte sie noch sagen? Das mit dem Unfall war die reine Wahrheit.
    Â»Frieda, es heißt, er habe den Unfall nachts um eins bei Eisregen selbst verursacht, noch dazu betrunken. Stimmt das?«
    Â»Das … Das ist falsch.«
    Â»Hast du ihn fahren lassen? Habt ihr euch vielleicht gestritten? Oder hat er sich ohne dein Wissen heimlich ans Steuer gesetzt? War es so?«
    Frieda fasste hilfesuchend an ihren Anhänger, doch diesmal spendete er ihr keinen Trost. Im Gegenteil. Ihr war, als täte sich der Boden auf und als sähe sie direkt in die Hölle.
    Nicht viel anders stellte sie sich das Jüngste Gericht vor, denn der Pfarrer wusste Sachen, die niemand, niemals …
    Sie begann zu zittern und hob ihre Augen wieder zum Kruzifix, aber der Allmächtige sah genauso strafend zu ihr herab wie der Pfarrer.
    Â»Besuchst du sein Grab regelmäßig?«
    Sie konnte nicht mehr schlucken, so schnürte es ihr die Kehle zusammen, und sie war unfähig, etwas zu erwidern.
    Schon traf sie die nächste Frage. »Und wie war das mit deinem Sohn? Hast du nicht gesagt, dass ihr euch beim letzten Zusammentreffen gestritten und euch nie mehr versöhnt habt?«
    Georg? Sie gaben ihr Schuld am Tod ihres eigenen Sohnes? Frieda sprang auf, griff sich erneut an die Brust und suchte in ihrem dröhnenden Kopf nach einen Gebet, das ihr Linderung verschaffen konnte. Es fiel ihr keines ein. Nicht ein Wort vermochte sie zum Himmel zu schicken, außer einem panischen: »O mein Gott, o mein Gott, hilf mir, hilf mir.«
    Es gab kein Erbarmen. Nicht für sie. Sie war verdammt.
    Â»Sterben«, stammelte sie und taumelte mit einem wimmernden Laut rückwärts, während der Pfarrer protestierte und etwas von »dableiben« und »Gewissen erleichtern« rief.
    Nein, nein, nein!
    Fort, nur fort.
    Die Dämonen der Vergangenheit sammelten sich über ihr, fletschten ihre Zähne und stießen auf sie hernieder, während sie unter starken Hüftschmerzen davoneilte. Heim, nur heim!
    Außer Atem erreichte sie ihre Wohnung, schloss zitternd zweimal von innen ab und sank noch an der Tür erschöpft auf die Knie.
    Immer noch kam ihr kein Gebet in den Sinn, dafür stand jene entsetzliche Szene an Brunos letztem Tag wieder vor ihren Augen. Aber sie wollte nicht daran denken. Sie hatte nichts dafür gekonnt. Sie hatte nichts getan! Elisabetha war es gewesen!
    Und doch, sie hätte es verhindern können, wenn sie nur stärker gewesen wäre. Sie hätte es genauso verhindern müssen wie den Tod ihres Vaters, die Zunahme von Brunos Brutalität und … Halt, nein, niemals hätte sie sich Bruno zur Wehr setzen können. Einmal hatte sie es versucht, an jenem Tag, als sich Rosie das Bein gebrochen hatte. Sie hatte ihm Vorwürfe gemacht, ihm sogar angedroht, ihn zu verlassen, aber er hatte nur gegrinst und sie mit einem einzigen Schlag auf den Steinboden in der Küche gestoßen. Abgesehen von einem vorübergehenden blauen Auge hatte sie seitdem diese entsetzlichen Schmerzen in der Hüfte und chronisches Kopfweh, das von Jahr zu Jahr schlimmer wurde.
    Die Konsequenz wäre gewesen fortzulaufen, doch das war für sie vollkommen unmöglich. Bruno hätte sie niemals gehen lassen, bestimmt hätte er ihr und den Kindern etwas angetan. Zuzutrauen wäre es ihm gewesen. So konnte sie nichts tun, außer beten, dass das Leben einigermaßen erträglich blieb und Bruno die Kinder nie wieder quälen würde.
    Jetzt erkannte sie, dass sie auch darin versagt hatte: Sie hatte mit ihrer Passivität zugelassen, dass aus Georg ein unglücklicher Pedant auf der ewig unerfüllten Suche nach Liebe und Anerkennung geworden war. Sie hatte sein Unglück nicht verhindern, ihn nicht trösten oder stärken können, hatte sie doch selbst nie ein Rezept für ihre eigenen, ganz ähnlichen Verwundungen gefunden.
    Erst nach Brunos Tod war sie hier in Freiburg zur Ruhe gekommen, aber nun war auch das vorbei. In den Augen des Pfarrers hatte vorhin ebenfalls jener altbekannte Ausdruck gelegen, den sie bei ihrem Vater und ihrem Ehemann hatte aushalten müssen. Wie erbärmlich man sich unter diesem Blick vorkam, konnte kein Mensch ermessen, der ihm niemals ausgesetzt gewesen war.
    Sie kauerte sich zusammen,

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