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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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roch.
    Â»Welche Teesorte ist das?«
    Â»Eine Spezialmischung. Diverse Heilkräuter. Sie sind ja Expertin, vielleicht schmecken Sie sie heraus? Aber nun erzählen Sie, was Sie so aus der Bahn geworfen hat. Ist etwas mit Ihren Töchtern? Kommt Elisabetha?«
    Sie schüttelte den Kopf, und ihr Blick irrte von seinen blauen Augen über sein energisch kantiges Kinn zu seinen südländisch anmutenden dunklen Haaren. Er hatte überhaupt keine Ähnlichkeit mit ihrem geliebten Sohn. Was hatte sie vorhin nur so an ihn erinnert? Vielleicht das ungefähr gleiche Alter, vielleicht seine verhaltene Art zu lächeln oder auch einfach nur ihre Sehnsucht nach ihrem Erstgeborenen.
    Der Tee schmeckte trotz des vielen Zuckers widerlich bitter, aber sie wagte nicht, es ihrem Gast mitzuteilen. Er war schon beleidigt gewesen, als sie ihn neulich nach der Herkunft des fremden Gewürzes für das Müsli gefragt hatte. Er hatte so heftig reagiert, dass sie befürchtet hatte, auch ihn zu verlieren. Er war doch der Einzige, der sich noch um sie kümmerte.
    Ihre Hand zitterte, als sie den Becher zurückstellen wollte, sie schaffte es nicht einmal, den Unterteller zu treffen. Sie strengte sich an und versuchte, die Benommenheit abzuschütteln, die ihren Kopf wie eine rasch heraufziehende Nebelwand in Watte tauchte.
    Â»Nehmen Sie noch einen Schluck, dann geht es Ihnen sicher besser«, hörte sie ihren Gast wie aus weiter Ferne sagen. Seine Stimme war weich und angenehm, sie konnte ihm nichts abschlagen, außerdem wusste er am besten, was ihr guttat. Also ließ sie sich noch einmal nachschenken, was er mit der bandagierten Hand sehr ungeschickt tat, und bemühte sich auszutrinken. Er sah ihr dabei zu, hatte sich selbst noch gar nichts eingegossen, wie ihr jetzt erst auffiel.
    Â»Was ist denn nur in letzter Zeit geschehen?«, fragte er mitfühlend und schob die leere Tablettenschachtel mit dem Ellbogen näher zu ihrem Becher. »Es sind schreckliche Gerüchte über Sie im Umlauf, haben Sie davon gehört? Wollen Sie Ihren Brüdern und Schwestern des Betkreises vielleicht eine kleine Richtigstellung schreiben? Möglicherweise kann ich Ihnen dann helfen, ich kenne ja einige von ihnen.«
    Er stand auf und brachte mit der verbundenen Hand ein Blatt Papier und einen Stift, den sie allerdings kaum fokussieren konnte. Als würde sie plötzlich schielen. Sie schüttelte den Kopf, um sich der Dumpfheit zu entledigen, doch es half nicht viel.
    Â»Was soll ich denn schreiben?«, fragte sie ratlos und konnte nicht begreifen, warum ihre Stimme so verwaschen klang. Das musste das Beruhigungsmittel sein. Nie mehr in ihrem Leben würde sie etwas Chemisches einnehmen!
    Er schob ihr mit dem Arm den Stift über den Tisch zu und machte ein Zeichen, dem sie einfach gehorchen musste. Ergeben nahm sie den Stift auf, blickte noch einmal aus dem Fenster zum Turm der Kirche, in der sie so unendlich gern wieder zu Hause sein wollte.
    Â»Wie wäre es mit: Es tut mir leid«, schlug ihr Gast vor, und sie nickte bedächtig. Ja, das hörte sich gut an. Auch wenn es nichts gab, wofür sie sich entschuldigen musste, war dies sicher ein guter Einstieg für einen Neuanfang.
    Sie kam sich wie ein unbeholfener Bär vor, als sie den Stift ansetzte und zu schreiben begann. Die Schrift war kaum leserlich, und ihr Kopf wurde immer schwerer, aber sie schaffte die vier Worte. Dann verließen sie die Kräfte.
    Â»Schlafen«, murmelte sie, und plötzlich regte sich Panik in ihr. Schlafen? Benommen? Was geschah mit ihr? Was war in dem Tee gewesen? Wieso konnte sie nicht mehr richtig schreiben, sprechen und denken?
    Angsterfüllt sah sie ihren Gast an, der sie ruhig betrachtete und aufmunternd lächelte. »Wie geht es Ihnen? Sind Sie müde?«
    Sie war so kraftlos, dass sie ihm nicht einmal antworten konnte. Wie bei einer Marionette verließ alle Spannung ihren Körper, und sie sackte mit dem Stift in der Hand vom Stuhl, knallte mit dem Kopf auf den Fußboden, verlor jedoch noch nicht das Bewusstsein, sondern verfolgte hilflos, wie er sich, immer noch lächelnd, über sie beugte, den Verband seiner Hand entfernte, die gar nicht blutete, und sich dünne Handschuhe überstreifte.
    Â»Wir sehen uns«, sagte er mit warmer Stimme, »dann erkläre ich alles.«
    Ihr wurde schwindelig, und sie konnte nicht anders, als sich dem Strudel hinzugeben, der sie immer tiefer

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