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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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in einen schwarzen Schlund zog.
    Ebba genoss die frühe Stunde in der Galerie. Sie hatte noch geschlossen, kein Telefon klingelte, keine Frau Hilpert zupfte Fädchen von Hosenanzügen. Sie konnte sich voll auf ihre Suche nach einem Ölgemälde von Denis Jully konzentrieren, das ein Kunde auf Mallorca unbedingt für das in Sand- und Brauntönen gehaltene Wohnzimmer seiner neuen Finca haben wollte. Ein Versuch noch bei der Galerie, die Jullys begehrte nordafrikanisch-arabisch angehauchten Landschaftsmalereien in Frankreich vertrieb, dann würde sie, falls sie keinen Erfolg hatte, zur Not den Künstler selbst anrufen und ein Treffen in dem kleinen Bistro an der Ill vereinbaren, in dem sie schon vorigen Herbst zusammen zu Mittag gegessen hatten. Sie würde ihm Fotos des Wohnzimmers zeigen, die der Kunde ihr übermittelt hatte, und ihn bitten, ein passendes Bild zu malen. Zehntausend würden für ihn dabei herausspringen, die gleiche Summe für sie. Falls sie den Auftrag bekam. Womöglich würde Jully nicht rechtzeitig liefern können, vielleicht würde das Geschäft deswegen platzen.
    Als sie am Samstagabend mit Jörg darüber diskutiert hatte, war er ganz erstaunt gewesen. »Du meinst, selbst so berühmte Künstler wie Jully fertigen Auftragsarbeiten passend zur Wohnzimmereinrichtung an?«
    Â»Was denkst du denn? Dass Maler lediglich ihren Inspirationen folgen und dann hoffen, jemand findet ihre Arbeiten so gut, dass er einen Haufen Geld dafür bezahlt? Sie wollen genauso Geld verdienen wie du mit deinen Foto-Aufträgen. Natürlich malt er kein Motiv ab, aber wenn jemand etwas Bestimmtes haben will – warum nicht? Es dauert nur länger, als wenn ich irgendwo ein fertiges Bild auftreibe. Und dieser Kunde ist etwas ungeduldig. Übernächste Woche plant er die Einweihungsfeier, da soll das Bild hängen.«
    Sie zählte einige Beispiele ihrer Jagd nach bestimmten Bildern und deren erfolgreiche Vermittlung auf und freute sich, dass er ihr intensiv zuhörte, als seien sie und ihr Beruf ihm wirklich wichtig. Das tat gut.
    Doch dann hatte er die schöne Stimmung mit dem Satz »Ich verstehe nicht, warum du die Bilder deines Vaters nicht ausstellst« jäh zerstört.
    Seufzend blickte Ebba jetzt vom Laptop hoch auf die feuerfesten Stahlschiebetüren, hinter denen noch vierundzwanzig dieser Schreckensleinwände lagerten. Sie würde erst froh sein, wenn alle verkauft waren, andererseits grauste es ihr bei der Vorstellung, sie hervorholen und taxieren zu müssen, sich wieder an all die Motive unter der obersten Farbschicht erinnern zu müssen, von denen jedes einzelne ein Mosaiksteinchen des Psychoterrors darstellte, mit dem er seine Kinder gequält hatte. Ebba strich sich über den Arm, als könne sie damit die Gänsehaut glätten, die sich gebildet hatte.
    Ihre Gedanken schweiften zu ihrer Mutter, die sie heute anrufen wollte. Eigentlich hätte sie sie längst besuchen sollen; sie war trotz ihrer Vorsätze seit Weihnachten nicht bei ihr gewesen, aber wenigstens hatte sie vor zwei oder drei Wochen mit Pfarrer Claus telefoniert, wenngleich dieser sie nicht gerade beruhigen konnte.
    Â»Kümmern Sie sich ein bisschen mehr um Frieda, sie hat es gerade nötig«, hatte der Geistliche ihr geraten, statt ihr eine Erklärung dafür zu geben, warum sich die Mutter so verändert hatte.
    Ebba sah auf ihre Armbanduhr. Kurz vor zehn. Vielleicht hatte sie Glück, und ihre Mutter war vom Morgengottesdienst zurück. Es war wirklich schwer, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Als sie zum Hörer griff, kam jedoch eine Mail ihres Kunden auf Mallorca.
    Â»Dringend«, lautete die Betreffzeile, mit drei Ausrufezeichen. Und das bedeutete, dass er nicht mehr warten wollte und sie schleunigst ein passendes Bild aufzutreiben hatte, sonst war sie raus aus dem Geschäft. Gab es nicht in der Nähe von Trier eine begabte Künstlerin, die ganz ähnlich wie Jully malte? Wie hieß sie noch?
    Ebba bekam nur am Rande mit, wie Frau Hilpert die hohen Glastüren der Galerie aufsperrte, das »Geschlossen«-Schild umdrehte, geräuschvoll die Kaffeemaschine anwarf und sich dann ihr gegenüber an den Schreibtisch setzte und Rechnungen schrieb.
    Immer noch war es still in der Stadt, vor elf Uhr verirrte sich selten jemand in die Galerie. Ebba machte sich Hoffnungen, dass es vielleicht nächste Woche anders aussehen

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