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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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mir nichts mehr. Meine Diagnose lautet, daß wir es hier wohl mit einem schweren Fall von Eifersucht zu tun haben.
    Ich weiß nicht, wie ich Hélène klarmachen kann, daß Virginie möglicherweise in Gefahr ist. Andererseits muß ich zugeben, daß all diese Mordgeschichten bei dem schönen Sonnenschein und den warmen Nachmittagen in weite Ferne gerückt sind. Vielleicht ist Virginie nur ein kleines Mädchen mit einer blühenden Phantasie.
    Jedenfalls, wenn Hélène da ist, vergeht die Zeit wie im Flug. Heute bin ich allein. Ich stelle mir vor, ich liege am Strand und würde ein Sonnenbad nehmen. Doch es fällt mir schwer, mich darauf zu konzentrieren, denn gestern abend hat sich in Paris ein Bombenattentat ereignet. Mir wäre es lieber gewesen, Yvette hätte den Ton abgestellt, ich mußte die entsetzten Augenzeugenberichte, das Sirenengeheul der Krankenwagen mitanhören, ich dachte an das viele Blut, an das Entsetzen, an die Fassungslosigkeit. Ich dachte an mich. An meine Panik. An Benoît, daran, wie seinem Leben brutal ein Ende gesetzt wurde. Jede Nachricht, die sich um ein solches Thema dreht, versetzt mich wieder in die Vergangenheit, der ich um jeden Preis entfliehen will. Ich fange an, die Leute zu verstehen, die sich weigern, schlechte Nachrichten zu hören.
    Es klingelt.
    Überraschung! Es ist der berühmt-berüchtigte Kommissar, von dem Virginie mir erzählt hat. Yvette bittet ihn herein. Ich weiß nicht, was er macht, denn ich höre rein gar nichts. Wahrscheinlich beobachtet er mich.
    »Mademoiselle Andrioli? Ich bin Kommissar Yssart von der Kriminalpolizei.«
    Ah, Bonzo heißt also Yssart. Seine Stimme ist kühl und klingt ein klein wenig gekünstelt. Er spricht ohne erkennbaren Akzent.
    »Sie kann Ihnen nicht antworten, das habe ich Ihnen doch schon gesagt«, unterbricht ihn Yvette.
    Der Kommissar ignoriert ihren Einwand und fährt fort:
    »Ich wußte nicht, daß Sie krank sind. Ich muß mich entschuldigen, daß ich hier einfach so hereinplatze.«
    Also, ich muß sagen, für einen Clown drückt er sich doch ganz manierlich aus.
    Meine Yvette, die ihm nicht von der Seite weicht, kann sich nicht verkneifen, mir zu sagen, daß der Kommissar wegen der Ermittlungen im Fall des kleinen Michael Massenet zu uns gekommen ist.
    »Ich habe ihm schon gesagt, daß wir den Kleinen nicht kannten.«
    Ich höre, wie der Kommissar tief Luft holt:
    »Ich bin davon überzeugt, Verehrteste, daß Mademoiselle Andrioli, wenn sie uns hört, und das glaube ich, meine Stimme sicherlich ebensogut versteht wie Ihre! Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich sie gern kurz unter vier Augen sprechen.«
    »Ganz wie Sie wollen«, erwiderte Yvette und verläßt türenschlagend das Zimmer.
    Ich höre, wie er sich räuspert. Ich warte. Dieser Mann ist vielleicht meine einzige Chance, Virginie zu helfen.
    »Wie Sie sicher wissen, ermitteln wir gerade im Mordfall Michael Massenet und haben auch die Nachforschungen in einigen anderen, früher begangenen Morden wieder aufgenommen, die bis heute nicht geklärt werden konnten. Können Sie sich mir auf irgendeine Art verständlich machen?«
    Oh, jemand, der mitdenkt! Ich hebe den Zeigefinger.
    »Gut. Ich werde Ihnen die Namen der Kinder nennen, und wenn Sie eins von ihnen kennen, heben Sie bitte den Finger.«
    Er sagt die Namen der Kinder. Als er Renaud Fansten erwähnt, hebe ich den Zeigefinger.
    »Sie kannten den kleinen Fansten?«
    Keine Reaktion meinerseits. Er räuspert sich erneut.
    »Ah ja. Ein kleines Verständigungsproblem. Wollen Sie damit sagen, daß Sie von dem kleinen Fansten gehört haben?«
    Ich hebe den Zeigefinger.
    »Im Fernsehen?«
    Keine Reaktion meinerseits.
    »Hat einer seiner Angehörigen von ihm gesprochen?«
    Ich hebe den Zeigefinger.
    »Vielleicht seine Mutter?«
    Keine Reaktion meinerseits.
    »Sein Vater?«
    Keine Reaktion meinerseits. Das ist ein bißchen mühselig.
    »Die kleine Virginie?«
    Zeigefinger.
    »Sie kennen die kleine Virginie Fansten?«
    Nun sind wir beim eigentlichen Thema angekommen! Du Heuchler! Du weißt ganz genau, daß ich sie kenne, und du interessierst dich mehr für sie als für mich. Glücklicherweise.
    »Hören Sie, Mademoiselle Andrioli, ich will nicht unnötig mit langen Vorreden Ihre Zeit verschwenden. Ich frage Sie also ganz ohne Umschweife: Hatten Sie bei Virginie den Eindruck, daß sie etwas über diese Sache weiß?«
    Als ich sofort den Zeigefinger heben will, hält mich ein Gedanke zurück. Habe ich das Recht, Virginies Geheimnis zu

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