Im Dunkel der Waelder
von Dauer, der Herbst wird stürmisch und der Winter früh Einzug halten, Schluß mit der schönen Zeit, bald sind die Ferien vorbei. Yvette kommt zurück.
»Sie hat es auch gehört, aber sie weiß nichts. Sie wirkte ziemlich durcheinander. Na, der Kommissar wird ihr mehr dazu sagen, schließlich betrifft es sie ja auch … Jetzt, wo sie halbtags arbeitet, kann sie auch nicht mehr die ganze Zeit auf Virginie aufpassen.«
Eine Spur … Ich hasse es, Yssart zu begegnen. Arme Hélène! Sie ist so zurückhaltend, daß man oft vergißt, was sie und ihre Familie schon alles durchgemacht haben. Weder sie noch Paul sprechen jemals von Renaud, und Yvette hat mir erzählt, daß sie seine ganzen Sachen der katholischen Kirche gespendet haben. Anscheinend steht ein Foto von ihm in ihrem Eßzimmer. Ein hübscher kleiner Junge mit braunem Haar und blauen Augen, abstehenden Ohren (behauptet Yvette) und Sommersprossen. Er hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit Virginie. Sie ist blond, trägt einen Pagenkopf und hat braune Augen. Yvette sagt, sie sei ein bezauberndes Mädchen, ›ein richtiges Püppchen‹, doch ich vermute, sie ist in diesem Fall voreingenommen.
Yvette räumt den Tisch ab, wobei sie ununterbrochen über die Morde, den Wetterumschwung, die Steuern, die Grausamkeiten des Lebens und die Gleichgültigkeit Gottes wettert. Als sie aus der Küche zurückkommt, meint sie, das Wetter sei viel zu schön, um im Haus zu bleiben. Sie hat Hélène angerufen und gesagt, sie wolle mit uns, mit Virginie und mir, spazierengehen. Hélène war einverstanden. Yvette hatte sogar den Eindruck, daß es ihr sehr recht sei, mal allein zu sein.
Virginie hüpft neben dem Rollstuhl her. Yvette hat einen Bogen um den Wald gemacht, und nun schlendern wir über den großen freien Platz gleich neben dem Einkaufszentrum. Ich erinnere mich, daß es dort Bänke und ein paar Sandwich-Stände gibt. Ich höre das Geräusch von Rollerskates und Skateboards. Kinder fahren mit Volldampf über den Platz. An einer anderen Stelle hört man das aufdringliche Geräusch eines Balls. Dann aufgeregt juchzende Kinder. Ich erinnere mich, daß sich in der Mitte des Platzes eine große, viereckige, gußeiserne Fontäne befindet, in die die Kleinen alles werfen, was mehr oder weniger gut im Wasser schwimmt.
Die Fontäne sprudelt gerade, ich höre das Rauschen des Wasserstrahls. Wir halten an. Yvette stößt einen Seufzer der Erleichterung aus, ich nehme an, sie hat sich hingesetzt.
»Virginie, bleib bitte in der Nähe!«
»Ja, ja, ich geh zum Brunnen, spielen.«
Einen Moment lang sagt Yvette nichts. Wir sitzen beide ruhig da, ich lausche dem lebhaften Stimmengewirr und Yvette hängt ihren Gedanken nach. Virginies zartes Stimmchen reißt mich aus meiner Versunkenheit.
»Dürfen wir uns etwas Süßes kaufen?«
»Von Schokolade bekommt man schlechte Zähne.«
»Das ist keine Schokolade, das sind Kaubonbons.«
»Das ist das gleiche. Und wie heißt du, mein Kleiner? Hat es dir die Sprache verschlagen?«
»Mama kauft mir immer etwas. Er heißt Mathieu.«
Das darf nicht wahr sein!
»Na gut, da hast du fünf Francs, aber verlier das Geld nicht. Und wo ist deine Mama, Mathieu?« erkundigt sich Yvette.
»Sie ist da vorne, in dem Salon.«
»Seine Mama hat einen Friseursalon. Er ist mit seinem großen Bruder hier«, erklärt Virginie.
»Ach so. Na, dann geht mal, kommt aber sofort zurück und sprecht mit niemandem!«
Das ist er, das ist Mathieu Golbert. Was hat Virginie mit ihm zu schaffen? Oh, mein Gott! Führt sie etwa … dem Mörder die Kinder zu? Nein, ich darf so etwas nicht denken. Hat Yvette ein Auge auf die beiden? Ist es normal, daß sie so lange brauchen? Ich höre das Rascheln von Papier und schließe daraus, daß Yvette in ihrer Zeitschrift liest. Du solltest jetzt wirklich nicht lesen, Yvette!
»Mir ist wirklich schleierhaft, warum ein so gutaussehender junger Mann wie Prinz Albert noch immer nicht verheiratet ist …«
Yvette! Laß Prinz Albert! Gib auf die Kinder acht!
»Es ist doch nicht zu fassen, Sport, nichts als Sport! Egal, welche Zeitschrift man aufschlägt, seitenweise Sportberichte …«
Yvette, liebste Yvette, hör auf, in dieser Zeitschrift zu blättern, und sieh bitte mal nach, was die Kinder treiben!
»Ich hab fünf gehabt!«
Virginie! Gott sei Dank!
»Paß bloß auf, wenn du dauernd Süßigkeiten ißt, bekommst du später schlechte Zähne.«
»Der Zahnarzt ist sehr nett.«
»Das ist kein Grund. Ein Besuch beim Zahnarzt
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